Bert van Marwijk ist eigentlich ein Gentleman alter Schule. Stets adrett gekleidet, das grau melierte Haar akkurat gestutzt, höflich und mit besten Manieren. Doch wenn dem Ritter im Orden von Oranien-Nassau etwas nicht passt, kann er richtig wütend werden. Dann holt er die verbale Keule raus und kennt keine Gnade. Knapp drei Monate nach seinem Dienstbeginn als Trainer beim Hamburger SV kocht der Gentleman vor Wut - er hat seine Mannschaft vor dem Spiel bei Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) zusammengefaltet. "Das kann doch nicht wahr sein", polterte der 61-Jährige mit rotem Kopf und schüttelte angesichts der Selbstgefälligkeit einiger HSV-Profis nach ein paar ordentlichen Spielen nur sein Haupt: "Die Zufriedenheit hier fängt an, mich zu irritieren, das kann ich nicht akzeptieren."
"Die Mannschaft muss alles ändern"
Und so nutzte van Marwijk die Pressekonferenz vor dem Spiel zu einer Art Generalabrechnung mit seinem Team. Einige seien "eingeschlafen", er müsse "wachrütteln. Das gibt mir keine Ruhe, solange ich keine Lösung habe", sagte der ehemalige Bondscoach: "Ich habe schon viele Dinge geändert, muss aber noch mehr ändern - gerade bei der Disziplin."
Die peinliche Vorstellung zuletzt gegen den FC Augsburg (0:1) hat an der Elbe Spuren hinterlassen. Die Angst ist jetzt groß, von den Super-Bayern unter Pep Guardiola erneut vorgeführt zu werden. Die Erinnerungen an die letzten Reisen nach München schmerzen die Hanseaten noch immer, kassierten sie doch in drei Partien 20 (!) Gegentore - 0:6, 0:5, 2:9.
Um bestehen zu können, müsse sein Team "alles ändern", sagte van Marwijk, der ausgerechnet in München auf seinen Torhüter René Adler
Rene Adler» zum Profil (Sprunggelenksprobleme) verzichten muss. Dafür kehrt Kapitän Rafael van der Vaart
Rafael van der Vaart» zum Profil nach seiner Pause aus persönlichen Gründen zurück.
Hamburger wollen ihre Ehre verteidigen
Trotzdem: Beim HSV, einst ja mal ein großer Rivale des Branchenführers aus dem Süden, wäre man wohl schon zufrieden, wenn die Niederlage nicht allzu hoch ausfallen würde. Auf göttlichen Beistand brauchen die "Rothosen" gegen Zauberfuß Franck Ribéry
Franck Ribery» zum Profil und Co. allerdings nicht zu hoffen. "Der Betende muss sich Gottes Willen anpassen, nicht umgekehrt", sagte Hamburgs Erzbischof und HSV-Fan Werner Thissen unter der Woche: "Ich wünsche mir einen Sieg, aber dafür beten würde ich nicht."
Und so werden die Hamburger ohne eine höhere Macht im Rücken versuchen, sich irgendwie zu wehren. Doch der Respekt vor der Bayern-Übermacht könnte im Norden nicht größer sein. Auch die jüngste Niederlage in der Champions League gegen Manchester City (2:3) sei kein Vorteil für den HSV. "Bayern ist vielleicht die beste Mannschaft auf der Welt - eine Niederlage wird sie nicht irritieren", sagte van Marwijk und fügte pflichtschuldig hinzu: "Ich fahre aber nicht zu einem Spiel, um zu verlieren. Wir müssen Mut haben, selbst Fußball zu spielen." Mittelfeldspieler Tolgay Arslan
Tolgay Arslan» zum Profil meinte: "Wir wollen unsere Ehre verteidigen." Sonst wird Gentleman van Marwijk wohl erneut seine Manieren vergessen.
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