„Insgeheim habe ich ja längst damit gerechnet.“ Es war klar, dass Willi Lippens einen Scherz machen würde, als er das Mikro in die Hand nahm. Schließlich ist der ehemalige Stürmer nicht nur für sein Können am Ball bekannt, sondern ebenso für seine Sprüche. „Manche Verteidiger sollen sich sogar Ohrenstöpsel besorgt haben“, erklärte Walther Müggenburg, der Vorsitzende des Ehrenrates, kurz nachdem die RWE-Legende die Ehrenmitgliedschaft erhielt.
Lippens bedankte sich beim Verein, für den er zwischen 1965 und 1976 sowie noch einmal von 1979 bis 1981 spielte. „Ich habe RWE viel zu verdanken, hier hat man mir die Chance gegeben, Profi zu werden.“ Die „Ente“ wünschte dem Verein, dass er bald deutlich besser da stehen möge als zuletzt.
Die Chancen dafür stehen gut. Nicht so gut, dass die Verantwortlichen gleich den Weltpokalsieg 2026 anpeilen müssten, aber gut genug, um schon in naher Zukunft aufsteigen zu können. Die Zahlen, die der geschäftsführende 1. Vorsitzende Dr. Michael Welling präsentierte, sahen sehr positiv aus. Der Verein von der Hafenstraße hat seine Einnahmen aus dem Sponsoring seit 2010 um knapp 2,4 Millionen Euro steigern können. Und noch entscheidender: anders als zu NRW-Liga-Zeiten, als elf Sponsoren 80 Prozent des Umsatzes ausmachten, sind es inzwischen 64 Sponsoren. Sollte mal einer wegbrechen, bekommt der Verein keine Probleme mehr, da er auf einer breiten Basis steht.
Mesut Özil darf gerne noch öfter wechseln
Der Erfolg des ehemaligen RWE-Jugendspielers Mesut Özil sorgte für zusätzlichen Geldregen. Welling verriet, dass die Rot-Weissen insgesamt 639.000 Euro Solidaritätsbeitrag erhalten, aufgeteilt in drei Raten, von denen die zweite im kommenden September bezahlt wird und die letzte im September 2015. Sportlicher Erfolg des FC Arsenal kann zusätzliches Geld bringen, ein weiterer Wechsel natürlich auch. Welling scherzte deshalb, dass er Özil ein hervorragendes WM-Turnier wünscht, um danach für 100 Millionen zu Paris St. Germain zu wechseln. „Wir haben seinem Berater auch gesagt, dass es wichtig ist, dass Mesut noch möglichst viele verschiedene Kulturen kennenlernt und vielleicht noch nach Italien und Katar geht“, erklärte Welling mit einem Augenzwinkern.
Harttgen sieht die Chance auf einen gemeinsamen Aufbruch
Nach ihm betrat Sportvorstand Dr. Uwe Harttgen die Bühne und stellte sich den 379 stimmberechtigten Mitgliedern in der Messe Essen noch einmal ausführlich vor. Der 49-Jährige gab sich alle Mühe, das Publikum auf seine Seite zu ziehen, was ihm auch gelang. Er könne nachvollziehen, dass die tiefgreifenden Änderungen, die seit seiner Ankunft bei RWE vorgenommen wurden, Unsicherheiten mit sich bringen, sieht aber auch die Chance auf einen gemeinsamen Aufbruch. Dabei stellte er auch noch einmal heraus, dass sein formuliertes Ziel, am Ende der kommenden Saison unter die ersten Fünf zu kommen, ausdrücklich auch Platz eins mit einschließt. Das Budget für die Regionalliga-Mannschaft werde, um dieses Ziel zu erreichen, um 21 Prozent erhöht.
Kontroverse Diskussionen
An die Mentalität der Essener müsse er sich aber noch gewöhnen, sagte der Bremer. „In Bremen sagt man sich: ‚Wir waren letztes Jahr Neunter. Wenn es diesmal besser wird, wäre es gut‘, aber in Essen wird gleich vom Aufstieg gesprochen.“
Dass die Menschen im Ruhrgebiet ein bisschen emotionaler sind als in Norddeutschland, wurde dann auch im späteren Teil der Veranstaltung deutlich. Wenn die Wortmeldungen der Mitglieder angesagt sind, ist das meist der interessanteste Teil einer jeden Jahreshauptversammlung. Das war auch in Essen nicht anders.
Kontrovers diskutiert wurde vor allem noch einmal das Thema: Abschaffung der U23. Hier haben Harttgen und Welling offensichtlich noch nicht alle Mitglieder von ihrem Kurs überzeugen können. Unter anderem meldete sich Dirk Wißel, zuletzt Trainer der Sportfreunde Königshardt, zu Wort und erklärte: „Mir fehlt das Verständnis für diese Entscheidung, der Verein hat in seiner Geschichte viele gute Erfahrungen mit der U23 gemacht.“ Ein anderes Mitglied gab aber zu bedenken: „Wenn wir sportliche Kompetenz holen, muss man dieser auch die Möglichkeit geben, zu handeln.“ Großer Applaus deutete an, dass Harttgen die Rückendeckung für seinen Kurs bekommen wird.
„Bleibt hier und sagt eure Meinung"
Zuletzt stellte sich für einige noch die Frage, ob angesichts des aktuellen Kurses die Menschlichkeit bei RWE nicht auf der Strecke bleibe. André Fabritz, der 25 Jahre lang die Spiele von RWE filmte, hatte seinen Rücktritt erklärt und gegenüber RS gesagt: „Im Moment versuchen Einige, RWE neu zu erfinden. Das ist nicht mehr mein Rot-Weiss.“ Seitdem er seine Entscheidung mitgeteilt hatte, habe vom Verein niemand mit ihm gesprochen.
Jörg Lawrenz von der Initiative GMS stimmte ein: „Viele Dinge im Verein werden nicht miteinander besprochen. Nicht nur Fabritz hat sich auf eine Zuschauerrolle zurückgezogen. Wenn kein Platz mehr für Diskussionen ist, kann ich auch zuhause bleiben.“ Lawrenz beklagte zudem das Fehlen einer Örtlichkeit in Stadionnähe, in der sich die Fans nach dem Spiel treffen können und kritisierte Welling: „Es muss für jedermann einen Platz geben, nicht erst ab 1000 Euro aufwärts.“ Welling betonte, das zwar genauso zu sehen, doch gebe es derzeit keine Möglichkeit, etwas Derartiges umzusetzen.
Auf die Unzufriedenheit mancher Mitglieder reagierte zuletzt Karsten Plewnia, 1. Vorsitzender der Fan- und Förderabteilung. Er rief alle, die unzufrieden sind, dazu auf, dem Verein treu zu bleiben: „Bleibt hier und sagt eure Meinung, denn das ist wichtig für den Verein.“



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