RWE

Uwe Harttgen über Fanunterstützung und Kooperationen

Die Fans waren nicht immer einverstanden mit seinen Entscheidungen. Da RWE aber auf Platz eins überwintert, darf sich Harttgen in seinen Entscheidungen bestätigt fühlen. Was sich im Winter am Kader ändern könnte, wie die Suche nach einem Kooperationsverein läuft und warum RWE für ihn gar nicht wirklich Tabellenführer ist, verrät Harttgen im großen Interview mit RevierSport.

Dr. Uwe Harttgen, Sie sind jetzt fast ein Jahr lang Sportvorstand in Essen. Haben Sie sich als „kühler“ Norddeutscher inzwischen an die große Emotionalität im Ruhrgebiet gewöhnt?
Viele denken ja, ich bin nicht emotional. Aber auch wir Norddeutschen haben Emotionen, vielleicht braucht man nur etwas länger, um unsere Emotionalität auch zu deuten (lacht).

Sind Sie zufrieden damit, was Sie in Ihrer Zeit hier erreicht haben? Oder sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?
Was wir uns vorgenommen haben, wurde umgesetzt und wir stehen trotz aller kleineren Problemchen gut da. Ich kann das schon genießen, bin aber was den sportlichen Bereich betrifft immer etwas unzufrieden. Wie jeder Fußballfan denke auch ich mir: das geht noch besser! Es gibt viele Dinge, die richtig gut sind, aber es gibt immer Kleinigkeiten zu verbessern. Wir hatten gute Halbzeiten, schlechte Halbzeiten. Spiele die richtig gut waren und dann wieder „normale“ Spiele. An der Konstanz müssen wir arbeiten.

Was gefällt Ihnen besonders gut?
Es ist erstaunlich, wie schnell die Mannschaft zusammengewachsen ist. Das ist ein richtig eingeschworener Haufen geworden. Die Moral und die kämpferische Einstellung stimmen. Nach und nach war dann auch das spielerische Element regelmäßig zu sehen, so dass die Spiele öfter ein Erlebnis waren. Das hat mich erfreut.

Hätten Sie jeden Transfer noch einmal so getätigt?
Ja! Wir schätzen jeden Spieler, jeder ist wichtig und für uns ein Stammspieler. Jeder hat nachgewiesen, dass er ein wichtiger Bestandteil des Teams ist. Wir sind mit der Mannschaft sehr zufrieden.

Sind Sie auch mit Ihrem Trainer zufrieden, dessen Entlassung einige Fans zwischenzeitlich schon gefordert hatten?
Marc Fascher war immer zu 100 Prozent engagiert und versteht es, die Mannschaft immer wieder auf die nächste Aufgabe einzustellen. Er hat Erfahrung im Umgang mit schwierigen Situationen und es zeigt sich, dass er den Spielern das richtige Rüstzeug an die Hand geben kann.

Spüren Sie Genugtuung gegenüber den Leuten, die Ihre Arbeit anfangs kritisiert haben?
Genugtuung verspüre ich nie, das darf ich mir in diesem Job auch gar nicht erlauben. Es freut mich, dass wir diese Situation haben, aber wir haben noch nicht viel erreicht. Wir sind für mich auch gar nicht wirklich Tabellenerster, weil Gladbach II ein Spiel weniger absolviert hat. Wir wollten oben mitmischen und das ist uns bisher sehr gut gelungen. Wenn wir so weiter machen, dann können wir auch einige Gegner richtig ärgern und werden noch viel Spaß haben.

Zwischendurch gab es Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Mannschaft und Fans. Wie wichtig ist die Fanunterstützung für Sie?
Unterstützung ist immer besser als keine. Wenn von beiden Seiten etwas rüber kommt, dann kann die Unterstützung noch einmal einen Schub geben. Es ist immer besser, unterstützt als vehement kritisiert zu werden – wenn man versucht, sein Bestes zu geben.

Wie wichtig war die Aussprache mit den Fans nach dem Siegen-Spiel aus Ihrer Sicht?
Für mich ist klar: wenn Standpunkte klar und offen kommuniziert werden, dann können beide Seiten gut damit leben. Das war der Schritt, der wichtig war. Die Mannschaft hat sportlich in dieser Saison immer eine gute Reaktion gezeigt und ist auch mit diesem Thema gut umgegangen. Die Spieler haben ihren Standpunkt beibehalten und sind trotzdem einen Schritt auf die Fans zugegangen. Dementsprechend konnte man konstruktiv mit der Kritik umgehen. Wie eng Mannschaft und Fans aber zusammengewachsen sind, zeigt sich erst in schwierigen Situationen. Wenn der Erfolg da ist, ist es einfach. Und einfach kann jeder (lacht).

Die Fans haben in dieser Saison allerdings nicht ausschließlich positiv auf sich aufmerksam gemacht. Vor Kurzem mussten Sie deswegen ja sogar beim WFLV vorsprechen...
Der Großteil der Fans hat die Mannschaft immer positiv unterstützt, auch wenn es Vorfälle mit einigen Anhängern gab, die etwas schwieriger waren, das muss man trennen können. Gewaltbereitschaft und Pyrotechnik sind Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Wenn wir alle Maßnahmen ergreifen, um solche Dinge zu verhindern, aber dann ohnmächtig davorstehen und die Sachen nicht ändern können, ist das für uns schwierig. Ein Extrembeispiel möchte ich anführen: in Rödinghausen führten wir 1:0 und es wurde Pyrotechnik eingesetzt. Wenn so ein Spiel abgebrochen wird, wäre das fatal. Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass in Essen ein Geisterspiel stattfindet oder uns Punkte abgezogen werden.

Thema Nachwuchs: Sie wollten zeitnah einen Kooperationsverein präsentieren. Warum hat das nicht geklappt und wie lange wird es noch dauern, bis es soweit ist?
Kooperationen mit anderen Vereinen sind immer schwer, weil es unterschiedliche Interessen gibt, die schwer miteinander zu vereinbaren sind. Wir hatten auf der inhaltlichen Ebene mit dem ETB eine gute Übereinkunft. Dann hat sich das aber zerschlagen. Eine neue Kooperation beinhaltet wieder, die Partnerschaft auf der inhaltlichen Ebene zu dokumentieren und festzuhalten. Einen entsprechenden Partner zu finden ist schwer, obwohl es Interessenten gibt.

Der ETB ist aber außen vor?
Ich würde nichts ausschließen. Inhaltlich macht es für mich nach wie vor Sinn, je nach Entwicklung beim ETB kann es noch zur Kooperation kommen, aber das muss man abwarten.

Wird es noch in dieser Saison zu einer Kooperation kommen?
Das weiß ich nicht. Für mich hat Priorität, wie wir mit unseren eigenen Jungs umgehen und wie sie sich entwickeln. Das begleiten wir gut und aktiv. Wenn es Spieler gibt, die sich aufdrängen, dann setzen wir uns damit auseinander und diese Gelegenheit wollen wir ihnen bieten.

Sie haben regelmäßige Förderspiele für die A-Jugendlichen angekündigt. Bis jetzt gab es erst zwei gegen einen Bezirks- und einen Kreisligisten. Lernen die Nachwuchsspieler dadurch wirklich so viel?
Wir hatten unterschiedliche Situationen, das war auch in den Fördertrainings so. Manche Jungs waren sehr nervös, manche hingegen sehr selbstbewusst und ehrgeizig. Jetzt haben sie das beschnuppert. Wir wollen als nächstes einen stärkeren Gegner nehmen – gerne aus der Oberliga – und sehen, wie sich die Nachwuchsspieler dort präsentieren. Diese Spiele sollen so oft wie möglich stattfinden, aber da muss man die Termine natürlich mit allen Mannschaften und den jeweiligen Trainern abstimmen.

Die U19 ist auf dem besten Weg zum Wiederaufstieg. Wie wichtig wäre es für Sie, wenn dieses Ziel erreicht wird?
Wir haben die Spieler gehalten, um dieses Ziel anzugehen. Es ist sehr schön, wie Trainer und Mannschaft diese Situation angenommen haben. Bis jetzt ist es sensationell, wie die Mannschaft da durchmarschiert. Ich hoffe, dass sie das in der Rückrunde so fortführen kann.

RWE arbeitet auch seit einer Weile daran, den Traum vom Leistungszentrum Realität werden zu lassen. Wie weit ist dieser Prozess fortgeschritten?
Wir haben die Unterlagen alle abgegeben und hoffen, demnächst Besuch zu bekommen. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Es wäre ein Meilenstein für uns, weil wir dann unseren Spielern Jugendförderverträge zukommen lassen und die Bindung zum Verein stärken könnten. Im Rahmen der Möglichkeiten, die da sind, ist die Situation bei uns aber schon jetzt richtig gut.

Kommen wir zur ersten Mannschaft. Werden Sie den Kader im Winter verstärken?
Es ist noch nichts spruchreif. Eigentlich sind wir komplett, aber im Fußball tun sich immer kurzfristig Optionen auf. Wenn ich etwas mache, dann würde ich die Mannschaft gerne für alle Eventualitäten wie Verletzungen und Sperren durch ein kleines Mosaiksteinchen etwas stabiler machen wollen.

Wird es Abgänge geben?
Grundsätzlich wollen wir niemanden abgeben. Bei Patrick Huckle gibt es aber eine besondere Situation. Er hat die Option im Winter zu gehen, weil er sich bereit erklärt hat, als Vertragsamateur für uns zu spielen. Es finden natürlich Gespräche statt und wir hoffen, ihn weiter an uns binden zu können. Bei allen anderen Spielern stellt sich die Frage gar nicht.

Wie ist die aktuelle Situation bei Benjamin Wingerter, dessen Vertrag Sie gerne auflösen möchten?
Benjamin kennt unsere Vorstellungen und Überlegungen. Es ist nach wie vor ein offener Vorgang.

Sie haben vor einer Weile angekündigt, dass Sie mit Angreifer Marcel Platzek verlängern wollen. Wie weit sind Sie auf diesem Weg?
Es liegt natürlich in erster Linie an Marcel. Er fühlt sich wohl hier, was nicht automatisch bedeutet, dass er auch bleibt. Wir führen Gespräche und bewegen uns. Mal schauen, ob wir uns annähern können.

Sind sie optimistisch, dass Platzek bleibt?
Optimistisch bin ich immer. An mir liegt es nicht (lacht).

Sie sind seit langem ein großer Kritiker der aktuellen Aufstiegsregelung. Glauben Sie, dass sich diese zeitnah ändern wird?
Ich bin mir sicher, dass die vielen Diskussionen und Aktionen, die es derzeit gibt, zu einer Veränderung führen werden. Die Frage ist nur: wann? Wenn viele feststellen, dass eine Regelung nicht sinnvoll ist, muss man auch den Mut haben, sie schnell wieder zu ändern. Die Mühlen im Verband mahlen aber verständlicherweise etwas langsamer, weil viele Interessen zusammenkommen. Da es die Diskussionen aber nicht erst seit heute gibt, kann man so eine Änderung auch mal etwas schneller beschließen.

Sollte RWE schon in diesem Jahr aufsteigen, würden Sie trotzdem weiter für eine Veränderung kämpfen?
Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann ändert sich das auch nicht. Ich habe ja schon vor meiner Zeit in Essen gesagt, dass sich etwas ändern muss und das würde ich auch immer wieder sagen. Zu meiner Überzeugung stehe ich in jedem Fall.

Sollten Sie nicht aufsteigen, ist das Ziel auch im nächsten Jahr Platz eins bis fünf?
Ja, selbstverständlich. Ich würde den Teufel tun und die Gegner unterschätzen.