Wir haben bei Dr. Peter Küpperfahrenberg (Fachanwalt für Arbeitsrecht) nachgefragt, ob dieser Schritt wirklich sinnvoll wäre.
Dr. Peter Küpperfahrenberg: "Der FC Schalke 04 hat auf die jüngste sportliche Krise reagiert und mit Sydney Sam und Kevin-Prince Boateng zwei Spieler dauerhaft vom Spiel- und Trainingsbetrieb ausgeschlossen. Es heißt, sie seien freigestellt bzw. suspendiert worden. Die Öffentlichkeit spricht zum Teil von der richtigen Entscheidung, zum Teil von Bauernopfern; die Profifußballergewerkschaft VdV rät an, dagegen zu klagen.
Was ist arbeitsrechtlich geschehen? Zwischen Verein und Spieler besteht ein Arbeitsverhältnis. Der Spieler ist verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen durch Teilnahme an Trainings- und Spielbetrieb sowie weiteren Veranstaltungen, z.B. im Rahmen des Sponsorings. Der Verein ist in erster Linie zur vertragsgemäßen Vergütung verpflichtet. Darüber hinaus ist der Verein aber auch – wie jeder Arbeitgeber – dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch ist seit vielen Jahren in der Rechtsprechung anerkannt und findet seine Grundlage im grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG. Er gilt auch für die rechtliche Nische des Profifußballs und wurde vom (für Gelsenkirchen zuständigen) Landesarbeitsgericht Hamm in einem Urteil aus November 2011 sinngemäß wie folgt beschrieben: „Der Beschäftigungsanspruch eines Fußballspielers beinhaltet insbesondere die Teilnahme am Training. Eine ausschließliche und dauerhafte Befassung mit Lauftraining genügt dieser Beschäftigungsverpflichtung nicht, weil durch dieses einseitige Training wesentliche Aspekte des Fußballspiels vernachlässigt werden, z.B. das Einstudieren taktischer Elemente oder Spielzüge im Einzeltraining.“
Arbeitsrechtlich ist es nun so, dass der Verein seiner Verpflichtung zur Beschäftigung der beiden Spieler nicht mehr nachkommen will. Unangetastet bleibt die (Grund-)vergütung, die selbstverständlich weiter zu zahlen ist. Das Ganze wird landläufig als Freistellung bezeichnet. Der FC Schalke 04 hat seit der causa Albert Streit damit so seine Erfahrungen. Streit hat die Freistellung hingenommen und seinen Vertrag „ausgesessen“. Doch muss der Arbeitnehmer so verfahren? Kann er gegen die Freistellung vorgehen?
Nach der Rechtsprechung entfällt die Beschäftigungspflicht nur dann, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Das kann z.B. bei erheblicher Gefährdung des Betriebsfriedens der Fall sein, bei der Gefahr von Wettbewerbsverstößen oder bei totalem Vertrauensverlust. Die Beweispflicht trägt der Arbeitgeber. Er muss nachweisen, dass ein Sachverhalt vorliegt, der den Betriebsfrieden erheblich gefährdet. Entsprechende Versuche der Schalker Verantwortlichen waren der Presse zu entnehmen. So soll Sydney Sam keine „positive Ausstrahlung“ gehabt haben. Außerdem habe er sich nur mit sich selbst und nicht mit der Mannschaft beschäftigt. Boateng soll nach dem Spiel gegen Köln beim Gang in die Kabine einen Disput mit einem Fan gehabt haben.
Wenn das allerdings die einzigen Vorwürfe sind, die der Verein den beiden Spielern machen kann, ist kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers zu erkennen. Vielmehr handelt es sich um sehr typische Reaktionen von Spielern, die weder mit der persönlichen sportlichen Situation noch mit der des Vereins zufrieden sind. Dass ein Sydney Sam nach seinem bisherigen Saisonverlauf nicht als Gute-Laune-Bär trommelnd durch die Kabine rennt, dürfte auch die Schalker Führungsriege nicht überraschen. Die (bisher) öffentlich gewordenen Beweggründe zur Freistellung sind vielleicht sportlich nachvollziehbar, juristisch sind sie das nicht.
Sam und Boateng könnten nun gegen die Freistellung vorgehen. Zweckmäßigerweise geschieht dies im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens. Damit könnte die Spieler zumindest vorerst ihre Teilnahme am Trainingsbetrieb erreichen. Dieser Eilrechtsschutz ist immer geboten, wenn bei Durchführung eines Klageverfahrens unwiederbringliche Nachteile drohen. Davon ist hier auszugehen, weil die Frage der Teilnahme am Mannschaftstraining kurzfristig und nicht über 2 Instanzen und 18 Monate hinweg zu klären ist.
Ist es denn auch klug von den beiden, gerichtlich vorzugehen? Das müssen sie selbst entscheiden. Weder Sam noch Boateng sind altersmäßig am Ende ihrer Karriere angekommen. Ein „Aussitzen“ des Vertrages ergibt sportlich für keinen der beiden Sinn. Sofern der Verein sie nicht freiwillig wieder in den Trainingsbetrieb integriert, sind sie über kurz oder lang gezwungen, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Denn nur in einem fitten und trainierten Zustand sind sie interessant für andere Vereine und behalten ihren „Marktwert“. Das Interesse anderer Verein kommt dann auch dem FC Schalke zugute, der die Spieler ja offensichtlich loswerden will.
Letztlich stellt sich natürlich die Frage, warum ein Verein wie Schalke 04 in Person von Horst Heldt so etwas macht. Sehenden Auges werden Ansprüche der Arbeitnehmer (die sie trotz ihres erheblichen Gehaltes noch sind) nicht erfüllt; Der Öffentlichkeit wird suggeriert, man habe etwas unternommen, um das letzte sportliche Ziel nicht zu gefährden. Von außen betrachtet wirkt das Vorgehen wie blinder Aktionismus.
Wie es weitergeht, wird die gespannte Öffentlichkeit wohl in Kürze erfahren. Ich selbst gehe davon aus, dass es nicht zu gerichtlichen Verfahren kommt, sondern eine vorzeitige Auflösung der Verträge gegen Zahlung von Abfindungen ausgehandelt wird. Das werden etwa 60-70 % der noch bis Vertragsende auszuzahlenden Bruttosummen sein. Nennen werden es die Parteien „eine im besten Einvernehmen getroffene Regelung, über deren Inhalt Stillschweigen vereinbart ist“.




Hinweis:
Um Kommentare schreiben zu können, musst du eingeloggt sein. Falls du noch nicht angemeldet bist, kannst du dich hier kostenlos anmelden.
Login via Facebook
Der Login via Facebook erleichtert Ihnen die Anmeldung