Man ist ja skeptisch. Orchester trifft Nordkurve, Klassik trifft ...ja, was eigentlich? Und dann verrät der Aufnahmeleiter auch noch, dass der Schlagzeuger 'ne Zecke ist. Und trotzdem funktionierte die „Kurvenklänge“-Aktion des WDR auf Schalke, ja mehr als das: Gänsehaut war garantiert – und die Stimmung bei den Aufnahmen am Dienstagabend so viel besser als beim denkwürdigen letzten Heimspiel der Saison drei Tage zuvor.
Auch Laura-Marie aus Essen ist begeistert: „Es ist wirklich ein Gänsehauterlebnis“, bestätigt die Essenerin, die mit einer guten Freundin den kurzen Weg zur Arena gefunden hat – so wie alle 14 Tage: „Ich habe eine Dauerkarte in Block M. Als ich von der Geschichte gehört habe, für mich eigentlich sofort klar, dass ich mitmache.“
Sie ist schließlich eingefleischte Schalkerin von Geburt an. „Es wurde mir in die Wiege gelegt“, nickt die 19-Jährige – und als „richtiger Fan“ bekennt man nun einmal auch Farbe, wenn es dem Herzensklub nicht so gut geht. Beziehungsweise: erst recht! Die Unruhe im Saisonfinale hat der Veranstaltung tatsächlich keinen Abbruch getan. „Wir haben mitbekommen, was bei euch los ist. Da ist es nicht selbstverständlich, dass so viele gekommen sind“, hebt Aufnahmeleiter Tim anerkennend den Daumen.
Dann geht es endlich los – DJ Dirk stimmt den königsblauen Chor noch einmal ein, das Rundfunkorchester beginnt – und Schalke singt! „Ich musste eine Träne verdrücken und das ist kein Witz“, verrät der Stadionsprecher nach dem ersten „Take“ von „Zeig‘ mir den Platz in der Kurve“, bevor noch viele weitere folgen. Das Lied ist eine Adaption des Udo-Jürgens-Schlagers „Zeig‘ mir den Platz an der Sonne“. Dr. Gerd Heim hatte den Titel dann S04-kompatibel umgedichtet. Der Gladbecker hat erst kurz vor den Aufnahmen erfahren, dass sein Werk 43 Jahre nach der Erstveröffentlichung am 12. September 1972 noch einmal zu solch einer Ehre kommen soll.
Steh'n wir zusammen in der Kurve, dann wird auch Schalke nie untergeh'n
Die letzten Zeilen des Lieds
Der Musiker ist sichtlich gerührt, vielleicht noch mehr als alljene, die in Trikots und mit Fahnen mitsingen. „Das ist unglaublich. Es geht mir richtig unter die Haut“, verrät der gelernte Medizintechniker, der mit dem Originalinterpreten gut befreundet war. „Ich kannte Udo sehr gut und als wir uns einmal trafen, habe ich ihn um Erlaubnis gebeten, die Nummer neu aufzulegen. Das Lied wurde vorher schon im Stadion gesungen, nur ging der Text nach der Zeile ‚Zeig‘ mir den Platz in der Kurve‘ nicht mehr weiter“, erklärt Heim, der unter dem Künstlernamen Gerd Recat damals über 100.000 Schallplatten unter das blau-weiße Volk brachte.
100.000 sind natürlich nicht gekommen, rund 500 sind es aber. Darunter jedoch nicht nur nur Fans, sondern auch Angestellte des Vereins, wobei das auf Schalke ja wohl immer noch das Gleiche ist! Und so steht Pressechef Thomas Spiegel einträchtig neben ein paar Kutten-Fans, aber auch neben Doreen (Bereich Organisation) und Denise aus dem Schalker Marketing. Sie haben ihre Söhne mitgebracht. „Die haben extra Mittagsschlaf gemacht“, lachen die beiden – und das ist auch gut so gewesen, schließlich sind sowohl Jonah als auch Laurids gerade einmal drei Jahre alt! Vor allem Jonah erweist sich als erstaunlich textsicher und ziemlich stimmbegabt.
Wo Schalke wohl steht, wenn Jonah einmal so alt wie DJ Dirk oder gar Dr. Heim ist? Eins ist ja immer hin sicher: „Steh‘n wir zusammen in der Kurve, dann wird auch Schalke nie untergeh‘n.“ Dem „leicht verblassten Königsblau“ oder allen „grauen Tagen“ und „bangen Frangen“, von denen im Text ja auch die Rede ist, zum Trotz. Und dann flattert es in meinem Herzen noch einmal leise, das blau und weiße Fähnelein...
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