Die ersten EM-Tage sind vorbei, die ersten EM-Entscheidungen jetzt gefallen, das Turnier geht in die K.-o.-Phase über. Und ja, wir wagen vorsichtig eine heikle Frage, um ein Zwischenfazit zu ziehen: Was wird man hinterher von der EM 2016 in Erinnerung behalten? Wir fürchten: nichts Gutes.
Was fehlt: der überstrahlende Star, dessen Balltricks und Finten die Kinder auf den Schulhöfen nachspielen. Was fehlt: atemberaubende Tore, von denen man tagelang am Arbeitsplatz schwärmt und heimlich Videos auf Facebook teilt. Was fehlt: eine Lebensfreude, die irgendwie von den Stadionrängen in die Wohnzimmer schwappt und bei uns das Gefühl provoziert, da hätte man dabei sein wollen. Stattdessen: eine buchhalterische Inkenntnisnahme von Resultaten und vielen Toren in den allerletzten Spielminuten.
Was bei dieser EM also fehlt: eine ganze Menge! Frankreich, schwach und zerrissen, bietet Gästen eher eine Polizei, die wenig Sicherheit verströmt und irritierend wirkt.
Wir erinnern uns an hässliche Live-Bilder, wie Zuschauer andere Zuschauer durchs Stadion jagen, Bengalische Feuer auf den Rasen fliegen und enthemmte Menschen brüllend und attackierend ihr Revier auf den Rängen und in Innenstädten markieren. Fußball wird in diesem Klima zur Nebensache. Die Uefa tut, was sie halt tun muss: Sie ermittelt. Gegen Russland, gegen die Türkei, gegen Ungarn, gegen Kroatien... Außer Drohungen kam bisher nicht viel. Die Uefa schwächelt deutlich.
Niemanden muss das wundern. Zum EM-Start wusste man nicht einmal, wer vier Wochen später den EM-Cup überreicht. Die Uefa hat ja keinen Präsidenten, seit Michel Platini der Vorteilnahme überführt worden ist und abtreten musste. Und darum fehlt bei dieser EM auch das: einer, der die Linie in Europa vorgibt und damit eine Orientierung. Parallelen zur Politik sind wohl nicht zufällig. Hooligans werden in ungesicherten Zeiten besonders mutig.
Deutschland möchte die EM 2024 ausrichten. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung, der wenig mit Fußball am Hut hat, diese Bilder und diese Stimmung aus Frankreich mitbekommt, muss eine Volksbefragung erst gar nicht stattfinden. Bisher weckt die EM 2016 wenig Lust auf eine EM 2024 in Deutschland.
Diskutieren Sie mit Pit Gottschalk auf Twitter

Hinweis:
Um Kommentare schreiben zu können, musst du eingeloggt sein. Falls du noch nicht angemeldet bist, kannst du dich hier kostenlos anmelden.
Login via Facebook
Der Login via Facebook erleichtert Ihnen die Anmeldung