„Okay“, sagte Markus Weinzierl mit fester Stimme, er klatschte mit seinen Händen auf die Oberschenkel und sprang von der Holzbank in der Schalker Mannschaftskabine auf – als wollte er im nächsten Moment raus auf den Trainingsplatz. Soeben hatte er nicht nur die offizielle Pressekonferenz gemeistert, sondern den Journalisten nach seiner Vorstellung in kleiner Runde noch einmal Rede und Antwort gestanden und geduldig alle Fragen beantwortet.
Bei den ganz spannenden Themen biss sich der neue Schalke-Trainer aber lieber auf die Zunge. „Ein interessanter Spieler mit sehr viel Potenzial“, sagte der Niederbayer eher unverbindlich über Breel Embolo. Das junge Offensivjuwel sorgt aktuell bei der EM mit der Schweizer Nationalmannschaft für Aufsehen – und auf Schalke für heiße Gerüchte. Wenn Leroy Sané verkauft werden sollte, dann könnte der 19 Jahre alte Angreifer vom FC Basel – Marktwert 20 Millionen Euro – ja die entstandene Lücke schließen. Angeblich ist sich Sportvorstand Christian Heidel mit dem Berater Embolos bereits einig.
Spekulationen, die Weinzierl charmant weglächelt. Offensive Ansagen dosiert der frühere Augsburger wohl. „Ich werde vorweggehen“, sagt er über den Umgang mit seiner Mannschaft. Mit Charakterisierungen wie Kumpeltyp oder Schleifer kann der Familienvater aber nichts anfangen. Und damit er nicht „weder noch“ sagen muss, antwortet er auf die Frage, ob er eher ein Kopf- oder Bauchtyp sei, mit einem augenzwinkernden: „beides“.
Es geht darum, die Mannschaft dahin zu bringen, dass sie kapiert, dass es dort drauf ankommt. Die Spieler, die es nicht kapieren, brauchen wir nicht
Markus Weinzierl
Die sportliche Agenda, die auf Schalke unter dem Begriff Spielphilosophie neuerdings Hochkonjunktur hat, muss erst noch formuliert werden. Gemeinsam mit Manager Heidel; und zwar erst dann, wenn der Kader steht und die Vorbereitung zumindest so gut wie abgeschlossen ist.
Was die Fans fordern, ist bekannt. Die Marschroute von der schnellen und offensive Spielweise soll nicht schon wieder nur eine Worthülse sein – so wie es in den letzten zwei Jahren zu oft der Fall war. Das tragfähigste Attribut, das Weinzierl der Schalker Mannschaft verpassen will, lautet aber anders: aggressiv.
Genau diese Entschlossenheit hat er bei Schalke vermisst, als er vor gut sechs Wochen zum letzten Mal in den Katakomben der Arena war – da noch als Trainer des FC Augsburg. Am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison verspielte Schalke ausgerechnet gegen den FCA die Champions League.
Kein Schalker hatte es für nötig gehalten, Daniel Baier in der 89. Minute anzugreifen. Der bedankte sich für die königsblaue Passivität mit dem Tor zum 1:1. Weinzierl freute sich über den damit gesicherten Klassenerhalt seiner Augsburger, konnte eigentlich aber gar nicht glauben, was er da sah. „Daniel Baier hatte bis dahin kein Tor geschossen. Wenn du 1:0 führst, in die Champions League willst und dann solch ein Tor kassierst, dann hat das schon etwas mit fehlendem Biss, Aggressivität und den letzten drei Prozenten zu tun.“
In diesem kleinen Bereich, der oft über Sieg und Niederlage entscheidet, zu arbeiten – darin sieht Weinzierl seine Stärke. „Es geht darum, die Mannschaft dahin zu bringen, dass sie kapiert, dass es dort drauf ankommt. Die Spieler, die es nicht kapieren, brauchen wir nicht.“ Die anderen, und davon sieht der Fußballlehrer im bestehenden Kader genügend, will er aber genau dort fordern. „Dann lässt du Baier auch nicht schießen.“
Heidel lobt Weinzierls Intelligenz
Und wenn der Fußballlehrer über Mentalität spricht, funkelt eine gewisse Angriffslust in seinen Augen. Heidel lobt Weinzierl außerdem für seine „Intelligenz und soziale Kompetenz“.
Alle anderen Schalker schätzen seit Dienstag auch seinen Humor. „Ich suche gerade eine Wohnung oder ein Haus in der Nähe der Arena. Das ist gar nicht so einfach. Ich habe auch schon eine Absage bekommen. Der Vermieter wollte einen langfristen Mieter.“
Immobilienbesitzer wissen, wie es vielen Schalke-Trainern erging. Weinzierls Vertrag bei Schalke 04 läuft bis 2019. In diesem Verein sind drei Jahre eine Ewigkeit.




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