Borussia Mönchengladbachs Rückkehrer ist müde. Die Saisonvorbereitung schlaucht. Auch einen Weltmeister. Doch eine Woche vor dem Play-off-Hinspiel um die Champions-League-Gruppenphase gegen die Young Boys Bern naht das, was Fußballer am liebsten mögen: Spiele, in denen es um etwas geht.
Herr Kramer, fühlen Sie sich schon gerüstet für den Champions-League-Kampf mit Bern?
Wir haben bisher eine gute Vorbereitung absolviert. Es soll aber niemand meinen, die beiden Spiele werden ein Selbstläufer. Im Test haben wir nur 3:3 gespielt, Bern hat Donetsk rausgeworfen.
Sie wirken in Gladbach so glücklich wie ein Profifußballer nur sein kann. Die Saison hat doch noch gar nicht angefangen.
Stimmt, aber ich bin nach dem einen Jahr in Leverkusen nach Hause gekommen. Der Wechsel war die goldrichtige Entscheidung.
Warum nicht schon im vergangenen Sommer, als Sie nach zwei Saisons als Leihspieler bei der Borussia zu Bayer zurückgekehrt sind?
Ich wäre damals gern in Gladbach geblieben, hatte aber einen Vertrag in Leverkusen. Bayer ist ja keine so schlechte Adresse. Ich habe zehn Jahre dort gespielt, große Teile meines Lebens dort verbracht.
Sascha Lewandowski hat Sie in der Bayer-Jugend gefördert. Wie sehr hat Sie sein Freitod Anfang Juni getroffen?
Ich habe zwei Tage nicht geschlafen. Er hat mich einst von Düsseldorf nach Leverkusen geholt, mich zum Kapitän gemacht. Er war einer der wenigen Menschen, die ich immer verstanden habe.
In welcher Beziehung?
Vorher hat man oft drauf los gespielt. Durch Sascha habe ich eine andere Sichtweise auf Fußball-Taktik, auf Fußball-Verstand bekommen. Einen ganz großen Anteil an meinem Weg im Profifußball widme ich ihm als Trainer.
13 Monate nach dem Abstiegskampf mit Bochum in Sandhausen wurden Sie mit Deutschland in Brasilien Weltmeister. Zwei Jahre später bei der EM mussten Sie jedoch zusehen. Bundestrainer Joachim Löw hat Sie zu Hause gelassen.
Ich war schon geknickt, zumal mich viele als klaren Mitfahrer gesehen hatten. Aber jetzt nach der EM geht es wieder bei Null los, und es wäre schon schön, wenn ich noch mal ein Länderspiel für Deutschland machen würde.
Christoph Kramers Vorbild ist Ex-Borussia-Kapitän Stefan Effenberg: „Den fand ich als Spielertyp einfach cool.“ Kopieren will der gebürtige Solinger aber weder „Effe“ noch einen anderen Spieler.
„Das geht auch nicht. Jeder sollte seinen eigenen Stil finden und zeigen“, betont der 25-jährige Mittelfeldspieler.
Was war die Alternative: Fidschi-Inseln oder EM im Fernsehen?
Nein, die Zeit war nicht so schwer. Ich habe mit Deutschland gefiebert, war wieder ein Fan. Wie früher. Ich habe nicht das Gen in mir, die beleidigte Leberwurst zu geben.
Mit dem Rücktritt von Bastian Schweinsteiger, der im defensiven Mittelfeld die gleiche Rolle wie Sie spielt, werden die Karten in der Nationalmannschaft neu gemischt.
Absolut. Ich bin da aber entspannt und werde jetzt hier nicht als Ziel A die WM in Russland 2018 und als Ziel B die Startelf ausrufen.
Warum?
Weil für mich das einzige Ziel ist, jeden Tag ein besserer Sportler zu werden. Der Rest ergibt sich von allein. Ich setze mich nicht unter Druck. Das hat allerdings nichts mit Gelassenheit zu tun. Erstens sollte man auf dem Platz mutig agieren, Spaß haben, bei Pfiffen nicht mutlos werden. Es braucht dazu eine Menge Ehrgeiz. Das ist ein Schlüssel für Erfolg. Zweitens ist das Fußballgeschäft einfach zu schnelllebig, um Ziele auszurufen.
Was man ja allein an den exorbitanten Ablösesummen der vergangenen Wochen sehen kann.
120 Millionen Euro für Paul Pogba sind schon krass und auch nicht zu greifen. Aber man kann es nicht ändern. Vielleicht werden in 25 Jahren sogar 400 Millionen Euro für einen Spieler bezahlt?!
Bis vielleicht die Geldblase rund um den Fußball platzt?
Wer weiß. Offenbar gibt der Markt die Summen derzeit her. Allein mit den weltweiten Trikotverkäufen von Pogba und Zlatan Ibrahimovic bekommt Manchester United das Geld vermutlich wieder rein.
Der wertvollste Borusse war bisher Granit Xhaka. Der ging für 45 Millionen Euro zum FC Arsenal. Sehen Sie sich als direkten Nachfolger?
Na ja, wir spielen zwar auf der gleichen Position, füllen diese aber sehr unterschiedlich aus. Granit agiert weiträumig, ist im Aufbau ein Künstler. Ich bin in kleinen Räumen unterwegs, spiele defensiver. Trotzdem ist die Sechser-Position für mich ideal. Man lenkt das Spiel.
Auch als Kapitänsnachfolger für Xhakas wurde Ihr Name genannt.
Es wäre aber nicht passend gewesen, als neuer Spieler gleich die Binde zu bekommen. Lars Stindl ist genau die richtige Wahl.
Welche Schlagzeile möchten Sie im Laufe dieser Saison mal über sich lesen?
Der Kramer hat ein Tor geschossen. Mein letztes habe ich erzielt, da war noch Max Kruse in Gladbach (am 10. Mai 2014 beim 3:1 in Wolfsburg, d. Red.).
Welche Frage haben Sie im Interview nicht vermisst?
Die nach meinen K. o. im WM-Finale. Wer will das nach zwei Jahren noch lesen?




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