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Und wie reagiert der Trainer, wenn plötzlich der Großteil der Offensive inklusive Toptorjäger Simon Terodde verkauft wird wie vor dem Start der jetzigen Saison?
Mit Verständnis. Wir sind derzeit nicht in der Lage, die Umstände des Vereins ändern zu können. Wenn ein Spieler also zu einem anderen Verein geht, bei dem er den nächsten Schritt machen kann, dann ist das so.
Aber es muss doch bitter sein, wenn Sie gerade ihren Vertrag um zwei Jahre verlängern, und dann wenige Wochen später wieder so etwas wie ein Neuanfang ansteht.
Es gab eine Zeit, da hieß es: Was wollt ihr mit Terodde? Jetzt heißt es: Wie soll es ohne Terodde laufen? Ich habe jetzt Peniel Mlapa und Nils Quaschner vorne. Die machen das auch gut. Wir arbeiten immer mit den Spielern, die da sind. Und ich bin der Überzeugung, dass Spieler immer mehr können, als sie zunächst zeigen. Unsere Aufgabe als Team ist es, den Rest herauszuholen. Und man sieht, dass ich das oft geschafft habe: Ob Ruud van Nistelrooy, Klaas-Jan Huntelaar oder Bas Dost – alles Spieler, die in den Niederlanden in meinen Mannschaften waren. Meine Spielphilosophie hat immer dafür gesorgt, dass die Stürmer Tore gemacht haben.
Sie gelten als Trainer, der auch Mannschaften mit beschränkten finanziellen Mitteln zum Erfolg führen kann. Als Prozesstrainer.
Meine Zielstellungen habe ich immer erfüllt. Es kommt ja auf die Umstände an. Wenn man in den Niederlanden nicht bei Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder Feyenoord Rotterdam angestellt ist, wird man normalerweise nicht Meister. Und hier in Deutschland ist es auch schwer, wenn man nicht Bayern oder Dortmund trainiert. Erreicht man aber beispielsweise mit Augsburg die Europa League, ist das auch ein Erfolg. Es geht eben darum, das Maximale unter bestimmten Bedingungen herauszuholen.
Und die Bedingungen in Bochum?
Wir haben nicht die finanziellen Mittel, um viele Topspieler zu kaufen. Also müssen wir dafür sorgen, dass wir junge und kostengünstige Spieler haben und diese weiterentwickeln. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass es mit dem Aufstieg in die Bundesliga noch dauern kann. Gekauft haben wir in dieser Saison nur Marco Stiepermann. Und das auch nur, weil wir Simon Terodde vorher verkauft haben. Wenn wir also einen Stiepermann kaufen und der hier nicht spielt, haben wir ein Problem.
Und was trauen Sie dem VfL Bochum zu?
Wenn sich ein Verein an sich nicht weiterentwickelt, wird sich auch die Mannschaft nicht weiterentwickeln. Das gilt auch für uns: Der VfL Bochum muss sich weiter entwickeln. Nehmen wir das Vonovia Ruhrstadion: Mit dem könnte man als Aufsteiger zwar eine Zeit lang in der 1. Liga spielen, aber wie soll das in zehn Jahren aussehen? So kann das Vonovia Ruhrstadion nicht bleiben, um Zuschauer anzulocken. Blicken wir doch einfach auf die Stadien von St. Pauli, Augsburg oder Mainz. Selbst Aue baut neu. Die Zeit bleibt ja nicht stehen. Es ist ja gut, dass derzeit die Toiletten im Stadion renoviert werden. Da fühlen sich auch Frauen und Kinder gleich wieder viel wohler und sind weniger abgeschreckt, zum VfL Bochum zu kommen. Wenn also die Umstände und Trainingsbedingungen stimmen, dann kann sich auch die Mannschaft ganz anders entwickeln. Wir haben nicht umsonst in diesem Sommer viel auf unserer Anlage getan, mit neuem Kraftraum, Sprinthügel und dem Bau von Kunstrasenplätzen. Wir sind also in Bewegung.
Und damit ist auch der Aufstieg denkbar?
Ich glaube schon, dass wir in der Breite mehr Qualität haben als vor eineinhalb Jahren. Und mit vielen neuen und jungen Spielern haben wir Entwicklungspotenzial hinzugewonnen. Die neuformierte Mannschaft braucht allerdings etwas mehr Zeit als die Mannschaft vom Jahr zuvor, denn die war eingespielt und kannte mich und unsere Philosophie bereits seit einem halben Jahr. Wenn man das Verletzungspech hinzuzieht, sind wir als derzeitiger Siebter auf einem guten Weg. Die Punkte, die wir haben, haben wir uns wirklich verdient. Enttäuscht war ich im Ligabetrieb eigentlich nur vom 0:3 gegen Fortuna Düsseldorf.
Ist es generell schwierig, neue Spieler vom VfL Bochum zu überzeugen?
Dieses Jahr war es schon einfacher als im Jahr zuvor. Weil die Platzierung mit Rang fünf gut war und weil andere Spieler sehen, dass mehrere Spieler den Sprung in die Bundesliga geschafft haben. Die wissen auch, dass sie den nächsten Schritt nur machen können, wenn sie auch regelmäßig spielen.
Wie haben Sie denn eigentlich das Revier kennen gelernt?
Ich hatte natürlich anfangs auch ein bisschen diese Bild aus den 80er-Jahren im Kopf, dass hier alles schwarz und grau ist. Aber es ist richtig grün hier, mit vielen Parks und wunderschönen Ortschaften außerhalb der Großstädte.
Und wie haben Sie die Menschen im Revier kennengelernt?
Es ist schade, aber die Bochumer sehen sich meiner Meinung nach ein bisschen in der Opferrolle. Opel ist weg, Nokia ist nicht mehr da, die Kohlenminen und Stahlwerke sind geschlossen. Das ist das Gefühl, das mir vermittelt wurde. Sie haben zu wenige Gründe, stolz zu sein. Die Gelsenkirchener sind stolz auf ihren Verein. Die Dortmunder ebenso. Als die Bochumer noch die „Unabsteigbaren“ waren, war das auch eine Art Stolz. Jetzt ist man schon im siebten Jahr in der 2. Bundesliga. Das prägt offenbar, sie nehmen das so hin.
Verschiedene Medien haben Sie immer wieder mit Musikern verglichen: Rod Stewart, Keith Richards, Roger Daltrey, Lemmy Kilmister. Was hört Gertjan Verbeek eigentlich privat?
Ich bin einer, der in den 60er- und 70er-Jahren hängengeblieben ist. Die frühen Scorpions gefallen mir, Deep Purple, Jimi Hendrix, Janis Joplin. Die habe ich früher als Kind schon immer im Radio gehört. Das ist auch heute noch gute Musik. Auf Konzerte gehe ich aber nicht mehr. Ich mag das nicht, unter so vielen Menschen zu sein. Bin ich zwar auch als Fußballtrainer, aber dann stehe ich ja da unten am Rasen und nicht auf der Tribüne.



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