Dinge, die sich im Kopf abspielen, können eine unbequeme Eigendynamik entwickeln. Um jene Kraft des Geistes ging es auch noch, als sich die Fußballspieler von Borussia Dortmund am Sonntagmorgen auf eine kleine Fahrradtour begaben, um die körperliche Müdigkeit wegzuradeln. Denn die Anordnung von Kapitän Marcel Schmelzer hatte zu diesem Zeitpunkt noch Bestand: „Wir müssen dieses Spiel aus dem Kopf kriegen.“
Tuchel-Streit mit Emre Mor
Dass diese schmerzhafte 1:4-Niederlage beim FC Bayern München am Tag zuvor aber Spuren hinterlassen hatte, darf angenommen werden. Indiz dafür: Trainer Thomas Tuchel faltete seinen Reservisten Emre Mor nach der Rad-Tour lautstark zusammen, als der gegen eine Solo-Sonderschicht mit dem Konditionstrainer protestierte. „Halt den Mund! Halt den Mund!“, herrschte Tuchel seinen Spieler laut Bild-Zeitung an.
Dabei war gerade der Trainer darum bemüht gewesen, die Niederlage als Alltag abzutun. Dass seine Einschätzung der Geschehnisse ein paar Irritationen auslöste, gehört zur Geschichte dieses Fußballspiels, das der FC Bayern mit dem zweifachen Torschützen Robert Lewandowski (10./68.), dem furiosen Franck Ribéry (4.) und dem noch furioseren Arjen Robben (49.) auf beeindruckende Weise bestimmt hatte und dabei den einst gefürchteten Gegner recht spielend in die Schranken wies.
„Alles andere als diese Dominanz und dieses Ergebnis hätte mich sehr überrascht“, sagte Tuchel also und das klang nach einem dieser Sätze, die dem Trainer manchmal so leichtfertig entfleuchen und ihm wieder auf die Füße fallen. München hatte den BVB unter dem Gejohle der eigenen Fans zwischenzeitlich vorgeführt, und das soll dann nun bei einem Verein, der sich als die nationale Nummer zwei betrachtet und internationales Renommee genießt, als Normalfall durchgewinkt werden?
Etwas unglücklich formuliert hatte der 43-Jährige, dass er sich der Gefahr eines solchen Spielverlaufs schon vor dem Anpfiff bewusst war. Denn er wusste ja, dass er auf seinen geliebten Strategen Julian Weigl würde verzichten müssen, auf den zuletzt starken Shinji Kagawa, auf Lukasz Piszczek und auf Marco Reus, André Schürrle und Mario Götze sowieso. „Selbst in Bestbesetzung wären wir der Außenseiter gewesen“, sagt Tuchel.
Unterstützung erhielt der Trainer vom Boss persönlich. „Wir hatten zu viele Ausfälle. Und die Bayern habe ich selten so stark gesehen. Das schaffen wir nicht, da mitzuhalten“, sagte Hans-Joachim Watzke in der Fernsehsendung Doppelpass bei Sport1. Fünf Jahre ist es her, dass der BVB das Double holte und den Kontrahenten deklassierte. „Wir haben die Bayern gereizt“, sagt Watzke. Nun lebt er mit den Folgen und muss gestehen, dass der FCB längst in einer anderen Liga spielt. Dortmund kämpft um andere Ziele. „Dass wir Vierter sind, kotzt mich auch etwas an“, sagt Watzke. Aber: Nur einen Zähler entfernt liegt Hoffenheim auf Platz drei. Der BVB, bei dem Marco Reus gestern wieder ins Training einstieg, hat alles in der Hand, hechelt aber dem eigenen Anspruch hinterher – so wie es im übrigen auch die meisten Nachbarn aus Schalke, Gladbach, Köln und Leverkusen tun (siehe Grafik). Platz 3 muss her, um sicher in der Champions League zu spielen. Im Moment kleben sie auf Platz 4.
„Ich sehe keine Gewitterwolken aufziehen“, sagt Watzke bezüglich der immer wieder infrage gestellten Zukunft von Tuchel und auch Top-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang. Die Botschaft: alles wird gut, alles ist gut. Denn es kann noch eine feine Saison werden. Im Viertelfinale der Champions League geht es am Dienstag gegen Monaco. Die Geister aus München sollten dann verscheucht sein.
Prognose: Vier von sechs Ligapartien sind Heimspiele – dort sichert sich der BVB noch Platz drei.




Hinweis:
Um Kommentare schreiben zu können, musst du eingeloggt sein. Falls du noch nicht angemeldet bist, kannst du dich hier kostenlos anmelden.
Login via Facebook
Der Login via Facebook erleichtert Ihnen die Anmeldung