Nein, eine Casting-Show würde sich Joachim Löw im TV eher nicht anschauen. Ist nicht sein Ding. Eher Serien. Oder Dokumentationen. Und natürlich Fußball. Alles. Ist ja auch klar. Schließlich ist es ja sein Job. Allerdings ist das, was gerade mit der deutschen Nationalmannschaft geschieht, genau das, was er - oben bereits erwähnt - nicht gerne sieht: Eine Sommer-Casting-Show. In den kommenden 27 Tagen stehen bis zu sieben Länderspiele an. Erst gegen Dänemark, Samstag WM-Quali gegen San Marino in Nürnberg und dann geht es zum ungeliebten Confed-Cup nach Russland. Löw sagt, das sei spannend. In Wirklichkeit ist es Entspannung. Zurücklehnen, gucken, was seine Jungs so treiben und im Anschluss entscheiden, wer sich für die WM 2018 in Russland empfohlen hat. Wir haben uns bereits einige Gedanken zu den Besetzungs-Perspektiven gemacht.
Hauptrollen
Der Kölner Jonas Hector (27) ist gesetzt. Er veranstaltet auf seiner linken Seite kein Spektakel. Aber dafür schätzt an ihm seine Zuverlässigkeit. Joshua Kimmich (21) hat zwar bei den Bayern keinen Stammplatz mehr. Aber bei Löw ist er der Erbe von Philipp Lahm. Skhrodan Mustafi (27) hat erst 25 Länderspiele. Macht nichts. Der Bundestrainer hat einen Narren an ihn gefressen, weil der Arsenal-Verteidiger ein Wortführer ist, auf den die jungen Spieler hören. ---
Julian Brandt (21) muss sich jetzt noch ein bisschen ins Zeug legen. Das Potenzial des Leverkuseners ist riesig, sein Talent groß. Und Löw hat bewiesen, dass er Talente zu Stars machen kann. Julian Draxler (23) hat sein Talent bereits gezeigt, jetzt dribbelt er sich nach oben in der Hierarchie. Löw mag seine Art zu spielen. Eins-Zu-Eins-Situationen, Drang zum Tor - der Ex-Schalker ist gesetzt für Russland.
Überraschungsgäste
Benjamin Henrichs (20) könnte auf der rechten Abwehrseite durchstarten. Der Leverkusener ist schnell, technisch stark und frech. So etwas mag der Bundestrainer. Kerem Demirbay (23) kickte im letzten Jahr noch in Liga zwei für Düsseldorf. Raketensaison für Hoffenheim. Techniker mit Torriecher. Er könnte alle und besonders Löw überraschen. Genau das könnte auch auf Amin Younes (23) zutreffen. Ein Straßenfußballer, den der einstige Stoßstürmer und U-Trainer Horst Hrubesch in höchsten Tönen lobte. „Ein Junge, der einfach nur Spaß macht.“
Nebenrollen
So lange ein Mann namens Manuel Neuer (31) existiert, werden es die Berufskollegen Bernd Leno (25/Leverkusen), Marc-André ter Stegen (25/FC Barcelona) und Kevin Trapp (26) schwer haben. Sie hätten durchaus das Rampenlicht der großen Bühne verdient, aber sie müssen sich gedulden.
In einer ähnlich misslichen Lage befinden sich Bewerber im Bereich der Innenverteidigung wie Matthias Ginter (23), Antonio Rüdiger (24) und Niklas Süle (21). Der eine ist mit dem BVB Pokalsieger geworden, der andere ist eine gewachsene Größe beim AS Rom, der letzte spielte eine starke Saison und wechselt im Sommer das Schauspielhaus: vom beschaulichen Hoffenheim zu Deutschlands bestem nach München. Gute Jungs, denen langfristig die Zukunft gehören kann, doch die Gegenwart bis einschließlich zur WM 2018 liegt in den Händen und Füßen von Mats Hummels (28), Jerome Boateng (28) und Benedikt Höwedes (29). Erprobte Kerle, druckresistent, verlässlich. Das mag der Jogi.
Zusammen mit Süle zieht es auch Mittelfeldspieler Sebastian Rudy (27) nun nach München. Ob er dort den nächste Schritt machen kann? Vielleicht. In der Nationalmannschaft hat er es aber wegen der enormen Konkurrenz ebenso schwer wie Emre Can (23), der zwar in Liverpool europaweit eines der schönsten Tore der vergangenen Saison erzielte, bei Löw aber noch nicht ausreichend gut in Erscheinung getreten ist.
Statisten
In diesem Jahr wird Sandro Wagner 30 Jahre alt. Zu den jungen Talenten zählt er also nicht. Der Hoffenheimer verkörpert den klassischen Typus Stürmer, den Löw nicht zwingend favorisiert. Nach dem Confed Cup dürfte Wagners Nationalmannschaftskarriere daher schon wieder beendet sein. Ihm ist das egal. Er will nur dabei sein. Er liebe den Confed Cup, sagt er. Der Grund ist klar: Das belächelte Turnier bietet ihm die Chance, einmal dabei zu sein.
Ähnliches dürfte für den Leipziger Diego Demme (25) gelten, der mit dem Emporkömmling den Weg aus der dritten Liga bis zur Vizemeisterschaft ging. Marvin Plattenhardt (25) hat mit Hertha BSC beachtliche Leistungen gezeigt, aber auch er dürfte es nach dem Turnier ebenso so schwer haben, noch einmal dabei zu sein, wie der in Gladbach unverzichtbare Lars Stindl (28).
Aber: Joachim Löw wird sie sich alle genau anschauen beim Confed Cup - und dann entscheiden.



















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