Dieser Vorfall bestätigte ihre seit Wochen überlegte, längst gefällte Entscheidung nur noch, den Vorsitz zum 1. Juli abzugeben. Beim bitteren 1:4 gegen Erndtebrück am Pfingstmontag sei ihr Mann Franco Vit von Wattenscheider Zuschauern „mit Bier überschüttet worden“, sagt Gabi Vit, die Noch-Vorsitzende des Regionalligisten SG Wattenscheid 09. Sie waren wohl sauer, dass sie so lange anstehen mussten.
Anfeindungen, fehlende Geduld im Umfeld, zu hohes Anspruchsdenken, und immer wieder teils herbe Kritik in Internetforen gegen die Verantwortlichen: Das schlaucht. So erlebt, so fühlt es Gabi Vit. Die Vorstandsvorsitzende macht da nicht mehr mit, der Verein sucht einen neuen Vorsitzenden. Auch Franco Vit, Mitglied im Aufsichtsrat, wird aufhören. Als Vorstandsmitglied bleibt, Stand jetzt, nur Thorsten Schäfer, derzeit 2. Vorsitzender, übrig. Für die Handlungsfähigkeit würde das qua Satzung zunächst reichen, sagt Aufsichtsrat Christian Mose. Im Rat sitzen neben Mose weitere fünf Kräfte mit Reinhard Mokanski an der Spitze, die notfalls die Geschäfte übergangsweise übernehmen könnten.
Lob vom Geschäftsstellenleiter
„Ich bin ein offener, ehrlicher, kommunikativer Mensch“, erklärte Vit am Dienstag ihre Beweggründe im Gespräch mit der WAZ. „Ich dachte, ich könnte den Verein so führen. Aber das geht nur bedingt.“ Ausdrücklich betont sie ihr gutes Verhältnis zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern, die anpacken. Zum VIP-, Marketing-, Medienteam, erst Recht zur Geschäftsstelle mit der einzigen Wattenscheider Konstante der letzten Jahrzehnte, Gerd Abstins. Der Geschäftsstellenleiter sagt: „Es ist bewundernswert, wie lange Gabi Vit das überhaupt ausgehalten hat.“ Knapp zwei Jahre nämlich, nachdem Frank Kolberg sein Amt abgab und sie „aus Herzblut über Nacht“ übernahm, sagt Vit.
Bezieht man ihren Mann mit ein, beide berufstätig, dann habe ihr Tag für die SG 09 praktisch um 6 Uhr begonnen und um 23 Uhr geendet. „Irgendwann fragt man sich: Ist das die Zeit, den Aufwand, das Geld, das man investiert, noch wert? Wir hatten kaum noch Freizeit, Zeit zum Luftholen. Es ist hier zu viel Arbeit auf zu wenig Schultern verteilt.“
Und die kriegen, salopp gesagt, noch einen drauf, wenn die Schlangen an der Kasse zu lang sind. Aufsichtsrat Christian Mose: „In Wattenscheid wird immer eine Sau gesucht, die man durchs Dorf treibt. Und diese Sau trägt immer eine Jacke mit der Aufschrift: Verantwortung.“ Auch Gerd Abstins meint: „Viele Wattenscheider sind verwöhnt.“ Der 65-Jährige selbst weiß noch nicht, ob er weitermacht, auch aus gesundheitlichen Gründen.
Sicher ist: Mose bleibt. Aufsichtsratsvorsitzender Reinhard Mokanski und der 2. Vorsitzende Thorsten Schäfer kehren erst in diesen Tagen aus dem Urlaub zurück. Am Ende der Woche wollen sich Rat und Vorstand zusammensetzen, sagt Mose. Die Zeit drängt. Mose: „Gesucht wird jemand, dem klar ist, dass diese Wahl zum Vorsitzenden der SG 09 nicht das Ziel ist, sondern der Beginn des Weges und der Arbeit.“
Eine Suche, die nicht einfach wird. Für eine Arbeit, die nicht leicht ist in Wattenscheid. Auch intern gab es ja Differenzen, etwa mit Hartmut Fahnenstich, dem ehemaligen Sportlichen Leiter, der im Februar gehen musste, wohl wegen unterschiedlicher Meinungen im finanziellen Bereich. Vit betont die Schwierigkeit, heimische Sponsoren zu finden, aber auch, dass die SG 09 keineswegs das Armenhaus der 4. Liga sei: Der Etat sei in ihren zwei Jahren auf zuletzt 1 Millionen Euro verdoppelt worden, bundesweit liege man damit im oberen Drittel aller Viertligisten. Auch die Einnahmen aus Sponsorengeldern habe man verdoppelt.
Dass Gehälter für Spieler aber immer wieder sehr verspätet gezahlt wurden, räumt sie ein; dies seien mitunter auch Folgen von zu wenig Zuschauern (Vit: „Ein Heimspiel mit 800 Zuschauern ist ein Minusgeschäft“) und verspätet gezahlter Sponsoren-Gelder. Das noch fehlende März-Gehalt sei nun angewiesen. Für April hätten die Spieler, die es am dringendsten bräuchten, ihr Geld erhalten. Vit: „Bisher haben wir bis zum Saisonende immer alles bezahlt. Das ist erneut das Ziel.“
Verhältnis zum Trainer ist intakt
Trotz teils öffentlich ausgetragener Differenzen zwischen Spielern und Trainer hier sowie dem Verein dort - zuletzt ging es um Pokalprämien - betont Vit aber, dass das Verhältnis zur Mannschaft und insbesondere zu Coach Farat Toku intakt sei. Toku wollte sich zum Abschied Vits nicht äußern, laut Ratsmitglied Mose sei er „betroffen“ gewesen.
Klar ist: Mit „deutlich weniger Geld“ wird Toku auskommen müssen in der kommenden Saison. Mose weiß, dass dies Tokus geschätzte Arbeit nicht leichter macht. Dass es weitergeht in Wattenscheid, daran zweifelt er nicht. Ob Günter Oberholz dabei eine Rolle spielt, wird sich zeigen. Als Präsident des FC Kray wird er nach acht Jahren nicht mehr kandidieren, ein Wechsel zur SG 09 ist schon länger ein Thema. „Es haben ein paar Gespräche stattgefunden, und ich könnte mir eine Aufgabe im Bereich Spiel-Organisation oder Marketing vorstellen“, sagte Oberholz der WAZ Essen, soll aber dann Vits Rückzug irritiert zur Kenntnis genommen haben.
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