Markus Weinzierl schrie so laut er kann. Mit Händen und sogar den Füßen gab er während des letzten Saisonspiels der Schalker in Ingolstadt Anweisungen. Thilo Kehrer sollte den Ball – verdammt nochmal – nach vorne spielen. Tat er aber nicht. Irgendwann, Mitte der zweiten Halbzeit, blickte Weinzierl vom Spielfeldrand zu seinen Co-Trainern. Ratlos, verzweifelt, ausgelaugt.
Auch in Ingolstadt hatten seine Spieler nicht viel von dem umgesetzt, was der Trainer von ihnen verlangt hatte. Ein Konzept? Zumindest war es nicht zu erkennen. Nach der Niederlage zuvor in Freiburg hatte Weinzierl zugegeben: der Plan des Trainers wurde auf dem Rasen nicht umgesetzt.
Manager Christian Heidel verfolgt auch deshalb fortan einen anderen Plan – einen ohne Markus Weinzierl. Er hat dem 42-Jährigen mitgeteilt, dass es für ihn auf Schalke nicht weitergehen wird. Der Trainer, den er vor einem Jahr für vier Millionen Euro Ablöse vom FC Augsburg geholt hat, muss gehen. Der Nachfolger ist elf Jahre jünger und heißt Domenico Tedesco. Der 31-Jährige ist einer aus der viel zitierten „neuen Trainergeneration“, zu der auch Hoffenheims Julian Nagelsmann (29) gehört. Beide absolvierten gemeinsam den Fußballlehrer-Lehrgang. Tedesco als Klassenbester, vor Nagelsmann. Ein Senkrechtstarter, der es auf Schalke nun richten soll. Der Deutsch-Italiener bekommt einen Zwei-Jahres-Vertrag.
Tedesco hat einen anderen Führungsstil als Weinzierl
Tedesco hat sich vor allem zwischen März und Mai dieses Jahres für höhere Aufgaben empfohlen, als er mit dem Zweitligisten Erzgebirge Aue in den ersten fünf Spielen 13 von möglichen 15 Punkten sammelte und den Klassenerhalt schaffte. Zuvor war er für Jugendmannschaften der TSG Hoffenheim und des VfB Stuttgart verantwortlich. Mit der offiziellen Vorstellung Tedescos auf Schalke wird Anfang der nächsten Woche gerechnet.
Auch wenn die Fußballvereine Aue und Schalke ungefähr genauso viel wie Kreis und Quadrat miteinander zu tun haben, gibt es doch eine besondere Gemeinsamkeit. „Willkommen im Schacht“, steht auf der Wildbrücke über der S255 kurz vor Aue geschrieben. Wie Gelsenkirchen ist auch die Stadt im sächsischen Erzgebirgskreis eine, die vor allem der Bergbau geprägt hat. Wer über Erzgebirge Aue spricht, spricht gerne vom Schalke des Ostens. Auch rund um das Erzgebirgsstadion wird eine Kumpel- und Malocher-Mentalität gelebt.
Glaubt man den Verantwortlichen des Zweitligisten, hat Tedesco einen anderen Führungsstil als Markus Weinzierl. Der neue Mann gilt als Trainer, der alle im Klub mitnimmt: den Kapitän genauso wie den Torjäger, aber eben auch die Spieler, die es am Spieltag nicht in den Kader schaffen. Der Platzwart und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle gehören ebenfalls zum Team. „Domenico ist ein Trainer, der allen auf Augenhöhe begegnet, obwohl er ihnen fachlich über 100 Kilometer voraus ist. Bei ihm steht der menschliche Aspekt immer an erster Stelle“, sagt ein enger Vertrauter.
Tedescos Karriere übertrifft Hinkels Vorstellungskraft
Markus Weinzierl wirkte hingegen eher verschlossen und distanziert. Einen Draht zu seinen Spielern, heißt es aus Vereinskreisen, habe er nie gehabt. Ein unumstrittener Führungsspieler erzählte kürzlich, dass er, wenn es hochkommt, in der ganzen Saison drei bis vier Einzelgespräche mit Weinzierl gehabt hätte, die nie länger als fünf Minuten dauerten. Yevhen Konoplyanka hat Weinzierl im Interview mit einem ukrainischen Sender „Feigling“ genannt. Der Trainer hatte dem Offensivspieler nach der Saison mitgeteilt, dass er nicht mehr ihm plant. Konoplyanka: „Wenn man jemanden loswerden will, der gerade erst für 15 Millionen Euro geholt wurde, braucht es mehr Erklärungen. Man muss sich verstehen und einig werden. Das Gespräch mit ihm hat nur eine Minute gedauert.“
Der ehemalige Nationalspieler Andreas Hinkel war vor zwei Jahren Co-Trainer von Domenico Tedesco in der U17 des VfB Stuttgart. Er hat seinem ehemaligen „Chef“ schon nach den ersten Wochen der Zusammenarbeit eine erfolgreiche Trainerkarriere vorausgesagt: „Es ist schwer zu erklären. Er hat etwas, das kein anderer Trainer hat.“ Die Wege trennten sich im Sommer 2015, als Tedesco in die Hoffenheimer Jugendabteilung wechselte, Hinkel hospitierte bei Profiklubs.
Dass sein alter Kumpel, zu dem er immer noch regelmäßig Kontakt hat, schon zwei Jahre später als Trainer auf Schalke vorgestellt wird, hat bei aller Wertschätzung aber auch Hinkels Vorstellungskraft übertroffen.




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