21 Uhr war gerade vergangen, da konnten sich die Journalisten endlich mit letzter Sicherheit davon überzeugen, dass auch Peter Bosz im Stadion Essen erschienen war – da nämlich trat der neue Trainer von Borussia Dortmund in den Katakomben vor die wartenden Medienvertreter.
In den 90 Minuten zuvor, als der BVB am Dienstag sein Testspiel beim Viertligisten Rot-Weiss Essen mit 2:3 verlor, war Bosz praktisch unsichtbar geblieben. Mit seinen Assistenten Albert Capellas und Hendrie Krüzen saß er auf der Trainerbank, verzichtete auf jegliches Dirigieren, jegliches Armfuchteln, jegliches Brüllen von Kommandos. Egal ob eigener Treffer oder Gegentor, Stellungsfehler oder Traumpass – nichts vermochte ihm eine größere Reaktion zu entlocken.
Diese Ruhe kennt man von dem 53-Jährigen nicht, im Gegenteil: In seiner Zeit bei Ajax trugen ihm seine Emotionen an der Seitenlinie einige Strafen durch den niederländischen Verband ein. Der zurückhaltende Auftritt in Essen ist allerdings kein Zeichen eines tiefgreifenden Persönlichkeitswandels, sondern Teil eines Plans: „Wenn man etwas sagen will, muss man auch sagen, was man sagen will“, erklärte Bosz nach dem Spiel zunächst etwas umständlich – und führte dann weiter aus: „Dafür muss man erst mal beobachten, was die Spieler machen. Was sie gut machen, was sie falsch machen.“ Und das sei auf der Bank gemeinsam mit den Assistenten eben leichter als am Spielfeldrand.
Der neue Trainer als Beobachter und Zuhörer – auch abseits des Platzes nehmen sie ihren neuen Trainer in Dortmund so wahr. Sehr zugänglich und stets ansprechbar sei der Niederländer, erzählen BVB-Angestellte. Keiner, der dem Klub um jeden Preis seine Vorstellungen überstülpen wolle. Ob es die Zusammenarbeit mit der medizinischen Abteilung oder mit dem Nachwuchsbereich ist, die Abläufe beim Mittagessen oder rund um das Training – stets lautet die erste Frage: Wie wurde es bis jetzt gemacht? Und was funktioniert, wird auch weiterhin beibehalten. „Man muss den Verein kennenlernen, die Menschen kennenlernen“, erklärte Bosz einst. „Wenn diese Phase vorbei ist, werfe ich einen Blick auf den Fußball.“ Dass er nicht als allwissender Erneuerer, sondern als sanfter Revolutionär auftritt, kommt im Klub gut an.
Beim Training ohne jede Regung
Erst einmal sollen sich die Umwälzungen auf den Platz beschränken – obwohl sich Bosz auch dort noch zurückhält. Während der Trainingseinheiten steht er mit verschränkten Armen am Rand, ohne jede Regung. Und wenn er sich doch mal bewegt, dann nur, um die Hände zur Abwechslung mal in die Hüften zu stemmen. „Der Trainer nimmt sich noch ein wenig zurück, beobachtet viel mehr, als dass er uns Anweisungen gibt“, sagt Marcel Schmelzer.
Doch fußballerisch ist wenig Raum für Kompromisse, hier setzt Bosz seine Vorstellungen konsequent um. Beim Testspiel in Essen setzte er auf seine bevorzugte 4-3-3-Formation, obwohl ihm vor allem im Mittelfeldzentrum noch die Spieler dafür fehlten. Die Formation ist eben Teil seiner Spielidee – aber auch die wird nicht im Hauruck-Verfahren umgesetzt. „Der Trainer gibt uns jetzt Tag für Tag mehr Informationen, wie seine Philosophie aussieht“, erklärt Schmelzer.
Lerneffekt hält sich noch in Grenzen
Nach den ersten paar Trainingseinheiten allerdings ist der Lerneffekt noch überschaubar, das zeigte auch das zähe Testspiel in Essen. Mannschaft und Trainer sind gerade erst dabei, sich kennenzulernen. Auch ein erfahrener Spieler wie Schmelzer hat noch viele offene Fragen. „Der Trainer wird jetzt in der Nachbearbeitung sagen, was er gut fand und was nicht – dann werden wir sehen, woran wir arbeiten müssen“, sagt der Kapitän in Essen und drückt sich um eine genaue Analyse des überraschend verlorenen Testspiels. „Er hat eine andere Philosophie als unsere bisherigen Trainer – also lasse ich mich da auch überraschen.“
Dass das Zeit braucht, haben alle Seiten eingepreist. „Das dauert lange, das kann ich ihnen schon sagen“, prophezeit Bosch und lacht. „Wir werden da weiter hart dran arbeiten.“ Und dann wird er auch deutlich häufiger gestikulierend an der Seitenlinie auftauchen als beim ersten Test in Essen.




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