Meinungsfreudige Fußballprofis gibt es selten. Borussia Mönchengladbachs Außenstürmer Ibrahima Traoré gehört jener Spezies an, die einen anderen Blickwinkel auf das Leben eines Bundesligaspielers in einer Welt außerhalb der Realität einnehmen kann. Was allerdings den 29-Jährigen aus Guinea, der in der vergangenen Saison wegen Verletzungen nur 21 der 51 Pflichtspiele bestreiten konnte, nicht davon abhält, die eigenen sportlichen Ziele im Trainingslager zu Rottach-Egern erstaunlich hoch anzusetzen.
Herr Traoré, waren Sie schon im Tegernsee schwimmen?
Nein, Schwimmen ist nicht mein Ding, darin bin ich schlecht. Und der See ist kalt. Man braucht eine gewisse Mentalität, um da reinzuspringen.
Wer hat die in der Mannschaft?
Oscar Wendt geht schon vor dem Frühstück in den See. Er hat sie auf jeden Fall, ist als Schwede aber auch sicher abgehärtet.
Findet die Borussia zur Siegermentalität in der neuen Saison zurück?
Wir haben jedenfalls die Qualität, unter die besten Sechs in der Bundesliga zu kommen, das sollte unser Anspruch sein. Ich will Europapokal nicht im Fernsehen sehen, ich will dabei sein. Auf dem Rasen.
In Gladbach haben Sie Ihren Vertrag bis 2021 verlängert. Ist die Borussia zu Ihrer kleinen Liebe geworden?
Ja! Es kam auch kein Gedanke auf, irgendetwas anderes zu machen.
Sie wohnen in Paris, wäre die Ligue 1 nicht reizvoll gewesen?
Ich hatte ein Angebot aus der Ligue 1 vor meiner Vertragsverlängerung. Aber ich wollte bei Gladbach bleiben. Ich bin vor elf Jahren als kleiner Junge nach Deutschland gekommen und habe das Leben als Mann hier erlebt. Das prägt.
Oscar Wendt hat die gewisse Mentalität. Als Schwede ist er abgehärtet
Ibrahima Traore
Hertha BSC und die Regionalliga waren mit 18 Ihre erste Station.
Aber auch nur, weil meine Mutter mich gezwungen hat.
Warum das?
Ich wollte das entscheidende Probetraining bei einem Berater gar nicht mehr machen, weil ich die Perspektive im Profifußball für mich damals nicht gesehen habe.
Was hätten Sie denn alternativ gemacht?
Schriftsteller! Ich habe mein Abitur geschafft und Literatur studiert. Auch als Schriftsteller kann man kreativ arbeiten, sein Talent zeigen.
Denken Sie über ein Buchprojekt nach – nach der Profikarriere?
Ja, schon. Aber nicht über mich selber. Es ist arrogant zu denken, dass ich so wichtig bin, um daraus ein ganzes Buch zu machen. Würde das wirklich einer lesen wollen?
Das weiß man ja nie vorher.
Ich bin jedenfalls ein normaler Fußballprofi, der einen besonderen Job hat und ohnehin genug in der Öffentlichkeit steht.
Was wäre Ihre Buch-Alternative?
Über einen fiktiven Mann zu schreiben, der zwischen der normalen Welt und der verrückten Fußballwelt pendelt. Und das verrückte bald für normal hält.
Es ist arrogant zu denken, dass ich so wichtig bin, um daraus ein ganzes Buch zu machen.
Ibrahima Traore
Müssen Sie aufpassen, dass genau dies nicht geschieht in Ihrem Kopf?
Schon, weil ich in einer Welt lebe, die nicht normal ist. Alle in meiner Familie stehen früher auf als ich und kommen auch später nach Hause, um Geld zu verdienen. Erst eine Verletzungspause zeigt einem im Fußball manchmal, dass man die Leidenschaft und den Spaß auch für das härteste Training nicht verlieren darf.
Spaß zu haben und gutes Geld zu verdienen scheint die Normalität für Fußballprofis zu sein.
Scheint so. Viele Menschen träumen zu viel in den Fußball hinein. In Wirklichkeit ist es mental schwer. Sehr schwer. Egal, wie viel Geld ich bekomme: Ich will immer und erfolgreich spielen, Ziele erreichen. Wenn wir gegen Frankfurt als Favorit im Pokalhalbfinale rausfliegen, dann hat der Kopf daran ganz schön zu knabbern. Da hilft das gute Geld nicht viel.
Fühlen Sie sich eigentlich als Afrikaner, Franzose oder gar als Deutscher?
Guinea ist mein Land. In Deutschland spüre ich großen, wohltuenden Respekt. Es ist meine dritte Heimat. Ich fühle mich im Herzen aber klar als Pariser. Da bin ich geboren und aufgewachsen, da sind meine Familie und mein Haus, da bin ich als Zehnjähriger in den Prinzenpark zu PSG gegangen.
Haben Sie die Terroranschläge in Paris aus der jüngeren Vergangenheit besonders getroffen?
Ja, sehr. Ich bin gläubiger Muslim und sehe den Sinn solcher Taten auf Menschen, die bei einem Musikkonzert feiern oder auf der Terrasse einen Kaffee trinken, einfach nicht. Terror ist auch in meiner Religion an keiner Stelle gedeckt. Wir Muslime müssen deutlich machen, dass wir Respekt vor anderen Religionen haben und in Frieden leben wollen.
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