Mit zwei Toren in der Nachspielzeit hat Tolga Öztürk maßgeblichen Anteil daran, dass Firtinaspor Wanne II am Sonntag mit einem Derbysieg gegen die Zweitvertretung des DSC Wanne-Eickel in die Saison gestartet ist. „Eigentlich wollte ich gar nicht mehr spielen, aber ein Freund hat mich überredet, in der Sommerpause mal mit zum Training zu kommen. Dann habe ich halt unterschrieben“, sagt der 30-Jährige, der sich vor zwölf Jahren nur schwer hätte vorstellen können, überhaupt einmal das Trikot eines Kreisligisten zu tragen.
Es war der 27. Mai 2005, als Tolga Öztürk mit der Schalker A-Jugend im Finale des DFB-Vereinspokals stand. Gegner war Tennis Borussia Berlin. Schalke siegte mit 3:1 – zweifacher Torschütze: Tolga Öztürk. Seine Mitspieler hießen damals Manuel Neuer, Alexander Baumjohann und Niko Bungert. Ein Jahr später wurde der Mittelstürmer mit den Königsblauen Deutscher A-Jugend-Meister. Zusammen mit Ralf Fährmann, Benedikt Höwedes und Mesut Özil besiegte Tolga Öztürk im Endspiel den FC Bayern München mit 2:1. Bei den Bayern standen unter anderem Mats Hummels und Sandro Wagner in der Startelf.
„Diese einfach nur geile Zeit ist lange vorbei, das muss ich akzeptieren“, sagt der Türke, der mit seiner Frau und den zwei Töchtern in Gladbeck lebt. Im Stadtteil Butendorf haben die Öztürks ein schmuckes Haus gekauft. Fußball, sagt der ehemalige Schalker, sei immer noch sein Leben, aber eben nur noch Hobby statt Beruf.
„Irgendwann musste ich mich entscheiden, wie es weitergeht. Die Perspektive, mit dem Fußball viel Geld zu verdienen, war nicht mehr gegeben“, sagt Tolga Öztürk. Spätestens nach der Rückkehr aus der Türkei, nachdem er versucht hatte, in seinem Heimatland bei Profiklubs vorzuspielen, sei ihm klar gewesen, dass er umplanen muss. Der Torjäger arbeitet seit einiger Zeit in der Küche des St.-Josef-Hospitals in Gelsenkirchen-Horst. „Heute verdiene ich das im Monat, was die meisten Fußballprofis schon verdient haben, wenn sie gerade aufgestanden sind. Aber die Garantie hatte ich eben nicht. Ich möchte verlässlich für meine Familie sorgen“, sagt er.
Zwei Tore gegen Tennis Borussia
Es vergehe aber kaum ein Tag, an dem er nicht an die erfolgreiche Zeit zurückdenkt. Meistens dann, wenn er alleine ist, ist es so, als würden zwischen der Zeit auf Schalke und der bei Firtinaspor Wanne keine zwölf Jahre liegen. Dann hat er die Situation vor Augen, als er seinen Gegenspieler im Pokal-Finale nach einem langen Einwurf aussteigen lässt und den Ball zum 1:1 einschiebt. Ebenso das Tor zum 2:1, das zwölf Minuten später fällt. „Mit dem Innenrist ins lange Eck. Keine Chance für den Keeper“, sagt er.
Im Haus der Öztürks hat die Medaille noch immer einen Ehrenplatz. 3000 Zuschauer waren 2005 beim Endspiel im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark dabei. Die meisten von ihnen waren Fans des FC Schalke 04. Einen Tag später traten nämlich die Profis zum DFB-Pokal-Finale im Olympiastadion an. „Die Stimmung war einmalig. Alles war blau und weiß. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke.“
Tolga Öztürk wird oft gefragt, ob er sich darüber ärgert, dass er aus seinem enormen Talent nicht mehr gemacht hat. „Ich weiß es ehrlicherweise gar nicht“, sagt er dann meistens. „Ich kann ja nicht realistisch einschätzen, ob ich glücklicher wäre, wenn ich jetzt Profi wäre.“ Er weiß nur: Wenn seine beiden Töchter, die drei und anderthalb Jahre alt sind, nach ihrem Papa rufen, sei das mit keinem Titel der Welt aufzuwiegen.
31 Tore in 43 Spielen für die A-Jugend
Auch die Frage, warum es trotz seines zweifelsohne überdurchschnittlich großen Talents nicht zur Profikarriere gereicht hat, beschäftigt ihn. Immerhin hat Tolga Öztürk in 43 Spielen in der A-Jugend-Bundesliga 31 Tore erzielt. Seine Antwort: „Es haben ein, zwei Puzzleteile gefehlt. Die Schuld daran trifft wahrscheinlich nur mich alleine.“
Nach den zwei Jahren bei Norbert Elgert in der Schalker A-Jugend spielte der Stürmer zunächst für die zweite Mannschaft der Königsblauen. Es folgten zahlreiche Vereinswechsel. Die Stationen: Wuppertaler SV, VfB Hüls, SG Wattenscheid 09, FC Recklinghausen, TSV Safakspor, Arminia Ückendorf und FC Gladbeck. In der vergangenen Saison trainierte er die A-Jugend des BV Rentfort. „Irgendwann ging es nicht mehr bergauf, sondern nur noch bergab“, sagt er.
Ein Fußballverrückter
Lässt es die Zeit zu, verfolgt er natürlich, wie es den alten Mannschaftskollegen gerade in ihren Klubs ergeht. Hat Manuel Neuer mal wieder zu Null gespielt? Gab’s wieder mal Bestnoten für Mesut Özil? Und warum ist Benedikt Höwedes eigentlich kein Kapitän auf Schalke mehr? Das sind Fragen, die Tolga Öztürk beschäftigen. Als Fan des FC Schalke 04 würde er sich nicht mehr unbedingt bezeichnen. Eher als total fußballverrückt. „Wenn mich einer fragt, wer Trainer bei Stoke City ist, oder wer bei Udinese im Tor steht, kann ich ihm das sagen. Ich sauge alles auf, was mit Fußball zu tun hat.“
Nur eben etwas anders als noch vor zwölf Jahren.
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