Noch am Boden liegend fragte Roman Weidenfeller nach, ob alles in Ordnung sei. Der Torhüter von Borussia Dortmund war im Trainingsspiel am Sonntag mit Julian Weigl aneinandergerasselt – und der ist ja gerade erst wieder fit, nachdem er sich Ende Mai das Sprunggelenk brach. Da muss man schon mal vorsichtiger sein. Doch Weigl überstand den Zusammenprall unbeschadet und dürfte nach der Länderspielpause wieder eine Option für den Kader sein.
Den 2:0 (1:0)-Sieg gegen Hertha BSC tags zuvor hatte der 21-Jährige noch in Zivil verfolgt, in einer Loge mit Marco Reus. Danach lief er grinsend durch die Stadionkatakomben, lenkte Lukasz Piszczek ab, der gerade Interviews gab, und zeigte Präsident Reinhard Rauball seine neue Brille. Mit der hatte sich Weigl in den 90 Minuten zuvor davon überzeugen können, dass die Rückkehr in die Startelf kein Selbstläufer für den jungen Mann werden dürfte – weil ein alter Meister seinen Platz im zentralen Mittelfeld eingenommen hat.
Dritter, vierter oder fünfter Frühling
Nuri Sahin ist zwar auch erst 28 Jahre alt, erlebt aber gerade seinen dritten, vierten oder doch schon fünften Frühling – die Beobachter waren nach der Partie noch uneins. Unstrittig war, dass Sahin ein starkes Spiel gemacht hatte: Das erste Tor durch Pierre-Emerick Aubameyang hatte er vorbereitet, das zweite mit einem herrlichen Dropkickschuss selbst erzielt.
Der türkische Nationalspieler organisierte das BVB-Spiel mit seinen Anweisungen und Pässen, er war ein wichtiger Faktor dafür, dass Berlin meist weit in die eigene Hälfte gedrängt wurde. „Wenn wir Nuri im Mittelfeld an den Ball bekommen haben, dann wurde es gefährlich“, lobte Trainer Peter Bosz.
Unter dessen Vorgänger Thomas Tuchel war Sahin praktisch aussortiert, im Pokalfinale stand er trotz Weigls Verletzung nicht im Kader. „Nuri ist ein Spieler, der totales Vertrauen braucht“, sagt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. „Jetzt hat er das endlich von allen Seiten, auch vom Trainer – und deswegen blüht er auf.“ Und Sahin erklärt: „Ich fühle mich in dem neuen System sehr wohl, das kommt meiner Spielweise entgegen.“
Nun aber drängt Weigl zurück in die Mannschaft – und im Klub warten viele gespannt darauf, wie der neue Trainer Bosz mit seinem ersten echten Härtefall umgeht: Setzt er den zuletzt so starken Sahin auf die Bank? Oder den zuvor unumstrittenen Stammspieler Weigl, der von 109 möglichen Pflichtspielen für den BVB nur 16 verpasste?
Unterschiedliche Interpretation
Beide interpretieren die Rolle in der Zentrale ganz unterschiedlich: Sahin spielt lange Bälle, wählt gerne mal den Risikopass in die Spitze und sucht auch selbst den Abschluss. Weigl strukturiert das Spiel mit vielen kurzen Pässen aus der Tiefe, schießt eher selten aufs Tor. Wenn der jeweils andere spielt, verändert sich also auch die gesamte Statik des Spiels – weshalb es nicht ganz leicht werden dürfte, nahtlos zu rotieren und die Einsätze zu verteilen.
Watzke sieht das anders: „Wenn du die erste oder zweite Englische Woche hinter dir hast, ist es schön, wenn du ein wenig wechseln kannst“, sagt er. „Ich bin froh, dass wir zwei Topspieler auf der Position haben.“ Darunter Sahin, laut Watzke „ein tausendprozentiger Borusse“, ein Eigengewächs mit besonderer Bindung zum Verein. Dass er so stark aufspielt, wärmt die Klubseele in Zeiten, in denen Ousmane Dembélé unter viel Getöse zum FC Barcelona wechselt.
Bis Donnerstag will der BVB Ersatz verpflichten. „Wir werden noch etwas machen“, sagt Watzke, der Klub habe einen klaren Plan. „Wer Borussia Dortmund und Michael Zorcs Arbeitsweise kennt, der weiß, dass wir immer auf alle Eventualitäten vorbereitet sind.“




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