Seine Frau und seine drei Töchter (11, 9 und 6) wohnen weiter in Luzern, ihr Vater hat sein Domizil in Bochum: Ilja Kaenzig ist seit Donnerstag auch vertraglich im Amt. Der 44-jährige Schweizer Betriebswirt folgt als kaufmännischer Vorstand Wilken Engelbracht. Zudem ist er Sprecher des Vorstands, dem noch Sebastian Schindzielorz (Sport) angehört. In seinem ersten Interview als Wahl-Bochumer erklärt Kaenzig, warum der Wechsel zum VfL reizvoll ist.
Sie haben im Dezember den französischen Zweitligisten FC Sochaux als Vorstandschef verlassen. Warum?
llja Kaenzig: Es war eine super Zeit dort, der Verein ist eine Institution in Frankreich, war 66 Jahre in der 1. Liga. Doch die chinesische Investorengruppe, die den Verein kaufte, geriet im Spätherbst in große Schwierigkeiten. Diese und die kommende Saison sind zwar durchfinanziert, aber es fehlten die Perspektiven, um den Club zu entwickeln, wie es mein Ziel war.
Ist der VfL Bochum ein vergleichbarer Klub?
In vielen Bereichen ja. Der VfL ist ein großer Traditionsklub, der sich seit dem letzten Abstieg 2010 - bei Sochaux war es 2014 - schwer tut, wieder hochzukommen. Die Unruhe steigt: Je deutlicher man sagt, wir müssen aufsteigen, desto schwieriger wird es.
Jetzt steckt Bochum sogar im Abstiegskampf zur 3. Liga. Trotzdem haben Sie schnell zugesagt.
Das Wichtigste im Fußball ist das Timing, und das kann man selbst selten beeinflussen. Der VfL Bochum ist in der Fußballwelt ein Begriff. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, hier arbeiten zu dürfen, nehme ich sie mit Stolz an. Zudem ist der deutsche Fußball neben dem englischen führend. In der Schweiz haben mir viele gesagt: „Alles Gute im Land des Fußballs.“
Werden Sie schon erkannt in Bochum?
Nein, in den Köpfen der Menschen hängen bleiben die Spieler und die Trainer, die sind wichtig. Eitelkeit und Egopflege sind nicht mein Ding.
Haben Sie keine Angst vor dem Absturz in die 3. Liga?
Die 3. Liga ist ein Thema, mit dem wir uns als Vorstand beschäftigen müssen. Das ist unsere Pflicht. Aber das Auftreten der Mannschaft ist geprägt von Selbstbewusstsein. Man sieht die Qualität, der Einsatz stimmt. Ich habe volles Vertrauen in die Mannschaft und den Trainer. Angst vor der 3. Liga habe ich nicht – wohl aber Respekt vor der Mathematik des Abstiegskampfes, wenn man zum Beispiel aufgrund nur noch weniger Spiele dreifach punkten muss.
Wäre der VfL denn für den worst case des Abstiegs gerüstet?
Die wirtschaftliche Basis wäre auch für die 3. Liga gegeben. Wir werden auch die Lizenz dafür beantragen, die Regularien verlangen das ja. Wir würden sie auch bekommen.
Sie sind auch Sprecher des Vorstands. Wie ist die Zusammenarbeit mit Sebastian Schindzielorz geregelt?
Atmosphärisch passt es, die Grundlagen sind gelegt. Jeder hat seine Kernaufgabe. „Sesi“ ist für den Sport zuständig. Er ist unkompliziert, hat viele gute Ideen, treibt Projekte parallel voran. Mein Fokus liegt auf der Vereinsentwicklung, die mit der Vereins-Stabilisierung beginnt.
Machen Sie dem Sportvorstand auch Vorschläge etwa bei Transfers?
Nein, die sportliche Kompetenz muss geschützt werden. Wir haben einen jungen Vorstand, den ich in seiner Arbeit stärken will. Er weiß, wo er hinwill, deswegen ist es wichtig, dass ihm niemand reinredet.
Derzeit hat der VfL Bochum, anders als vor Ihrer Zeit mal geplant, viele Leihspieler.
Die 2. Liga ist recht ausgeglichen, viele gute Spieler nutzen sie als Plattform. Als Verein muss man wissen: Wie will ich den Unterschied ausmachen mit den Mitteln, die ich habe? Neben der Stärkung unserer eigenen Jugend sind Leihspieler nicht uninteressant, um diesen Unterschied auszumachen. Aber der VfL muss sportlich und wirtschaftlich übermäßig von solchen Leihen profitieren. Das sind die Bedingungen.
Am 22. März treffen sich die Vertreter der 36 Profiklubs auf der DFL-Versammlung, es geht auch um die 50+1-Regel. Wie stehen Sie heute dazu?
In Deutschland hat in den letzten 10, 15 Jahren eine komplett positive Entwicklung eingesetzt ohne Investoren, die die Mehrheit übernehmen. In anderen Ländern hat das Ausmaße angenommen, die mit Fußball nichts mehr zu tun haben. Es gibt einen elitären Kreis mit einem Dutzend Klubs, das sind reine Unterhaltungskonzerne. Und in Englands 2. Liga ist der Wettbewerb längst ruinös. Man muss aufpassen, dass der Fußball seine Einzigartigkeit nicht verliert. Kippt die 50+1-Regelung, könnten die Folgen schwerwiegend sein. Das Volk würde seine Meinung kundtun auf eine Art und Weise, wie wir es noch nicht kennen. Kurzum: Deutschland hat mit seinem Bremsklotz, dem 50+1, ein Alleinstellungsmerkmal. Hier setzt man auf strategische Partner wie die Telekom oder Audi bei den Bayern oder Evonik bei Dortmund. Dahinter stecken Weltkonzerne und nicht Einzelpersonen, die sich von Emotionen leichter leiten lassen. Dieses Konzept ist erfolgreich. Warum sollte man das ändern?
Die Mitglieder des VfL haben für die Ausgliederung gestimmt.
Die 50+1-Regelung ist in der neuen Satzung verankert, sie wird in Bochum in jedem Fall weiter gelten. Grundsätzlich ist der Verein hochprofessionell aufgestellt auf einem extrem hohen Niveau. Die Voraussetzungen hier sind positiv, sie gilt es weiterzuentwickeln. Dabei werden wir auch in Zukunft Transfererlöse erzielen müssen. Und dazu gehört es mittelfristig auch, einen oder mehrere strategische Partner zu gewinnen, um damit in den Sport und die Infrastruktur investieren zu können.
Wie will man einem Investor den VfL schmackhaft machen – oder haben Sie schon einen in der Schublade?
Nein. Wir müssen die Story dafür erst noch schreiben. Das ist ein Prozess. Priorität hat, für Stabilität zu sorgen, Ruhe hineinzubekommen in den Verein, eine gute Kommunikationsstruktur zu schaffen und die neue Saison gut zu planen. 80 Prozent des Erfolges entscheidet sich meiner Meinung nach in der Vorbereitung. Hier müssen wir die Zugänge schnell integrieren, positiv in die Saison starten. Wenn uns das gelingt, fällt uns vielleicht ab August die Arbeit leichter, eine gute Story zu schreiben und strategische Partner zu überzeugen. Interessenten gibt es mit Sicherheit.



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