Als Charalampos Makridis in der 23. Minute das 1:0 für die Gladbacher Reserve an der Hafenstraße erzielt, fällt das Gesicht von Frank Kurth in tiefe Falten. Ja, das ist immer noch der Verein, mit dem er 1994 im DFB-Pokal-Finale stand. Der Verein, mit dem auch er Höhen und Tiefen erlebte. Und weiterhin erlebt. Denn es ist immer noch sein Herzensklub. Doch die Sorge um Rot-Weiss Essen hat für Kurth einen neuen Maßstab erreicht. Im Interview mit dieser Redaktion fordert der Torwart mehr Unterstützung von den Fans.
Frank Kurth, sagt Ihnen der Begriff "lame duck" etwas?
(lacht) Ich weiß, worauf Sie anspielen. Aber der Begriff passt nur bedingt zu Argirios Giannikis. Er übernimmt zur kommenden Saison einen neuen Verein. Da ist es vollkommen klar, dass er kein Mitspracherecht mehr hat, was die künftigen Planungen angeht.
Ist das zufriedenstellend gelöst?
Ein Trainer sollte nur bis zu einem gewissen Grad über den Verein bestimmen dürfen. Der Klub muss eine Philosophie haben und die Spieler und Trainer nach dieser Grundidee verpflichten. Zu meiner Zeit haben die Trainer noch alles bestimmt. Da sind die Leute mit dem Einkaufszettel herumgerannt, weil der Trainer gesagt hat: 'Wir brauchen den, wir brauchen den und wir brauchen den.' Diese Zeiten sind im Fußball zum Glück vorbei. Aber alle im Verein haben eine sehr hohe Meinung von dem jetzigen Trainer. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass er bei Personalfragen beratend zur Seite steht.
Haben die Spieler nun ein Alibi für schlechte Leistungen?
Definitiv nicht. Der Verein besteht ja nicht nur aus dem Trainer. Da entscheiden noch andere Personen. Deshalb müssen die Spieler weiterhin Leistung bringen, um sich für die Zukunft zu empfehlen. Dass eine solche Situation aber auch kurzfristig für Unruhe sorgt, kann ich nicht ausschließen.
Manche Fans sollten sich dann auch die Frage stellen: Tue ich alles für meinen Verein?
Frank Kurth
Vor allem sorgt es für Unruhe bei einigen Fans.
Durch die neuen Medien ist es für einen Verein wahnsinnig schwierig geworden. Manchmal weiß man gar nicht, ob das überhaupt RWE-Fans sind - oder welche aus Duisburg oder Uerdingen.
Anhänger anderer Vereine werden sich aber wahrscheinlich nicht in die Westkurve stellen und ein Plakat mit der Aufschrift 'Lösungen finden! Trainer raus, jetzt!' entrollen.
Solche Plakate gab es doch schon immer. Und es gab auch schon immer Menschen, die Stimmung gegen ihren eigenen Verein machen. Aber wissen Sie, was mich wirklich betroffen macht?
Erzählen Sie es uns.
Auch wir sind damals beschimpft und ausgepfiffen worden. Aber wenn das Spiel angepfiffen wurde, waren wir mit den Fans wieder eine Einheit. Egal gegen welchen Gegner es ging, wir standen zusammen.
Die Fans wollen momentan mit einem Stimmungsboykott ihre Unzufriedenheit ausdrücken.
Das sind doch Sandkastenspielchen. Nach dem Motto: Du hast mir meine Schippe weggenommen, jetzt nehme ich dir auch deine weg. Manche Fans sollten sich dann auch die Frage stellen: Tue ich alles für meinen Verein?
Was würden Sie diesen Fans antworten?
Ich bin mir bewusst, dass ich mich hier auf ganz dünnem Eis bewege. Und die Kritik der Fans ist auch absolut berechtigt und nachvollziehbar. RWE spielt in den vergangenen Jahren keine gute Rolle in der Liga. Dass die Fans da verärgert sind, ist absolut verständlich. Aber den eigenen Support von der Leistung der Spieler abhängig zu machen, finde ich nicht gut.
Die Leistungen der Spieler sind in den vergangenen Jahren allerdings auch nicht wirklich gut. Erreichen die Akteure nicht das volle Leistungsniveau oder reicht die Qualität der Mannschaft einfach nicht aus, um oben mitzumischen?
RWE könnte sich auf der einen oder anderen Position verstärken, das ist klar. Trotzdem finde ich, dass der Kader besser ist, als es der Tabellenplatz aussagt.
Auf welchem Platz sehen Sie Rot-Weiss vom reinen Leistungsvermögen her?
Ich denke, dass RWE um den fünften Rang herum anzusiedeln ist. Deshalb darf man auch nicht damit zufrieden sein, dass man sich nun durch den Sieg gegen Gladbach II ein wenig von unten abgesetzt hat. Das sollte als selbstverständlich angesehen werden.
Was ich aber ganz deutlich betonen möchte: Wir sind ein beratendes Gremium und haben keine Entscheidungs-Vollmacht.
Frank Kurth
Zu was dieser Kader in der Lage ist, sieht man in den vergangenen Jahren vor allem im DFB-Pokal. Wieso können die Spieler diese Leistungen nicht mit in die Liga transportieren?
Es ist mir zu leicht zu sagen, dass man die Leistungen aus dem DFB-Pokal immer bringen muss. Spiele gegen Borussia Mönchengladbach oder Fortuna Düsseldorf dürfen kein Maßstab sein. In solchen Spielen wächst die gesamte Mannschaft über sich hinaus. Und im Umkehrschluss sind für einige Vereine auch die Spiele gegen Rot-Weiss Essen das Highlight des Jahres.
Die Fans wünschen sich Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren können. Für die es ein Highlight ist, für Rot-Weiss Essen spielen zu dürfen. Macht es da nicht Sinn, vermehrt Akteure aus dieser Region zu verpflichten?
Für mich verkörpern auch Kai Pröger und Marcel Platzek den von Michael Welling geprägten Begriff des Hafenstraßen-Fußballs. Aber eines ist doch auch klar: Ich komme nicht mit elf Platzeks über die Saison, die Mischung macht es aus. Für mich ist es kein Allheilmittel zu sagen, dass der Spieler aus dieser Region kommen muss, um sich mit dem Verein identifizieren zu können. Außerdem darf man nicht vergessen, dass der Wettbewerb im Ballungsgebiet des Ruhrgebiets größer ist als beispielsweise in Hessen.
Deshalb erscheint es umso wichtiger, dass die U19 wieder in die Bundesliga aufsteigt.
Absolut, der Sprung ist einfach viel zu groß. Um es mal deutlich zu sagen: In der U19 Niederrheinliga gibt es zwei oder drei Mannschaften, die Qualität haben. Ansonsten ist da nicht viel los. Schade finde ich vor allem, dass der Verein sich vor einigen Jahren dazu entschieden hat, die U23 vom Spielbetrieb abzumelden.
Die U23 könnte als Auffangbecken fungieren.
Genau. Man kann als Rot-Weiss Essen nicht davon ausgehen, dass man jedes Jahr eine tolle U19 stellen kann. Natürlich bringt dir eine U23 in der Bezirksliga nichts. Aber eine zweite Mannschaft in der Oberliga zu haben, finde ich hilfreich. Und da hilft auch keine Kooperation mit anderen Vereinen, denn dann hast du von den ausgeliehenen Spieler nichts im Tagesgeschäft. Darüber habe ich damals auch mit Michael Welling gesprochen, als der damalige Sportliche Leiter die zweite Mannschaft im Alleingang abgemeldet hatte.
Wie lautete seine Antwort?
Er erzählte mir, dass er eine andere Idee verfolge und letztendlich wieder eine U23 aufbauen wolle. Das ist nun sechs Jahre her. In der Zeit hätte RWE schon längst eine Mannschaft melden können. Warum fängt man nicht erst einmal mit einer Fantruppe an und baut die Mannschaft peu à peu wieder auf? Darüber sollte man zumindest diskutieren.
Zum Beispiel auf der nächsten turnusmäßigen Sitzung mit dem Aufsichtsrat. Schließlich sind Sie mittlerweile in einer beratenden Funktion tätig. Erzählen Sie uns mehr darüber.
Das hat Michael Welling ins Leben gerufen. Er hat selbst zugegeben, dass ihm die absolute sportliche Kompetenz fehlen würde. Da brauchte man Leute, die denen, die in der Verantwortung stehen und Dinge absegnen, Ratschläge geben. Wir besprechen dort sportliche Dinge. Zum Beispiel geht es um die sportliche Situation oder die Trainer-Situation. Wir unterbreiten dann Vorschläge, die abgearbeitet werden. Was ich aber ganz deutlich betonen möchte: Wir sind ein beratendes Gremium und haben keine Entscheidungs-Vollmacht.
Im Jahr 2007 haben Sie gesagt, dass RWE 2010 in der 2. Bundesliga spielen wird. Versuchen Sie es noch einmal. In vier Jahren werden Sie 60 Jahre alt. Welche Überschrift würden Sie dann gern über Ihren Verein lesen?
RWE würde zumindest die Regionalliga hinter sich gelassen haben. Außerdem sollten die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt werden. Zusammengefasst halte ich es für realistisch, dass man in vier Jahren den Aufstieg in die 2. Bundesliga vorbereitet.



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