Hans Tilkowski, 1957. Motiv einer Postkarte.
Vorher kämpfte der Verein stets nur gegen den Abstieg, aber plötzlich gewann die Elf von Trainer Fritz Langner ein Spiel nach dem anderen. Vom „neuen Komet des Westens“ war in der Sportpresse die Rede, „Herne: Ein Wunder?“ fragte „Der Kicker“, und die Sympathien flogen dem Außenseiter nur so entgegen. Westfalia Herne, die junge Mannschaft der Namenlosen, lebte Ende der 1950er Jahre stellvertretend den Traum, den viele Menschen im Wirtschaftswunderland hatten: durch harte Arbeit und unermüdlichen Kampf ganz oben anzukommen. „Wir waren das Hoffenheim der damaligen Zeit“, bringt Gerd Clement den damaligen Trubel auf den Punkt. Und Torhüter-Legende Hans Tilkowski ergänzt: „Überall, wo ich hinkomme, werde ich von den Älteren noch auf Westfalia angesprochen. In Mainz kam ein Mann auf mich zu und sagte ganz bewegt: ‚Danke für die wunderbaren Spiele am Schloss Strünkede!’ Wie sich herausstellte, kam er aus Recklinghausen und hatte seine Kindheit bei uns im Stadion verbracht.“ Am Ende sprang für Westfalia die Westmeisterschaft 1959 dabei heraus und ein markanter Eintrag in das Legendenbuch des Revierfußballs.
Hans Tilkowski, der Historiker Ralf Piorr und Gerd Clement mit einer Reliquie: einem Original-Schild von 1959.
Anlässlich des anstehenden Jubiläums hat nun der Herner Historiker Ralf Piorr gemeinsam mit dem Verleger Gerhard Schiweck vom Frisch Texte Verlag ein erstes Ausrufungszeichen gesetzt. „Zwölf Ansichten. Eine Hommage an Westfalia Herne“ heißt ein liebevoll gestalteter Postkartensatz mit seltenen Fotos aus der großen Zeit des SCW. „Im Großen und Ganzen geht es bei allen Bilder um eins: Emotionen!“, bringt Verleger Schiweck die Aussage der alten schwarz-weiß Bilder auf den Punkt, und tatsächlich wird dort eine Fußballwelt in Erinnerung gerufen, die längst verloren scheint – und nicht nur, weil man am Schloss (nur noch) fünftklassig kickt. Neben der Ehrung gibt es auch noch einen guten Zweck: Pro Set werden 1 EUR und 59 Cent dem Förderverein der Hans-Tilkowski-Schule in Herne zur Verfügung gestellt. „Gerade diese soziale Anbindung bedeutet uns sehr viel“, erklären beide Spieler unisono, „denn gerade unser Beispiel zeigt doch, dass man etwas erreichen kann, wenn man es will und dafür arbeitet.“
Zwölf Ansichten. Eine Hommage an Westfalia Herne. Limitierte Postkartenedition, FRISCH TEXTE Verlag, Herne. ISBN 978-3-933059-08-6, € 9,59. Zu beziehen über den Buchhandel oder: info@druckfrisch.de
Aber vor Ort ist die Erinnerung an die große Zeit des Vereins auch eine Art Politikum. „Westfalia hat den Namen der Stadt Herne in der ganzen Bundesrepublik bekannt gemacht, aber die Stadt und auch der Verein haben sich eigentlich nie um diesen Imageträger gekümmert. So hat man ein Faustpfand über die Jahre hinweg leichtfertig aus der Hand gegeben“, bezieht der Wahl-Herner Hans Tilkowski Stellung. Ob es nun zu einem angemessenen Jubiläum kommen wird, steht noch in den Sternen. Zu wünschen wäre es Westfalia und auch der Stadt generell, denn schließlich würde die Werbeabteilung eines Vereins wie Bayer Leverkusen viel Geld dafür ausgeben, so ein generationsübergreifendes positives Image zu haben, wie es Westfalia Herne hat. Vor allem Dank der 1959er. Die kennt sogar Finanzminister Peer Steinbrück. Auch er weilte in seiner Kindheit am Schloss Strünkede, allerdings in der gegnerischen Fankurve, wo er in den Spielen um die Deutsche Meisterschaft „seinen HSV“ anfeuerte.
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