Hammerjungs wie Piratenpartei
14.05.2017
SUS Niederbonsfeld I – VfL Kupferdreh I 5:0 (3:0), 32. Spieltag, 14.05.2017, 15:00 Uhr
Hammerjungs: Naumann – Renell – Marcow (82. Arlt), Kohlmann (C), Gallego, Gajewski – Hitpass, Gonzalez (46. Karim) – Maliglowka, Lampey – S. Strub (75. Roesch)
Tore: 1:0 (4.), 2:0 (19.), 3:0 (31.), 4:0 (53.), 5:0 (54.)
Was heißt schon Blamage, wenn keiner etwas von einem erwartet? Aber schön anzusehen war das Gastspiel im nicht besonders fernen Niederbonsfeld über weite Strecken nicht. Erst als das Spiel schon (deutlich) verloren war, kam die Mannschaft vom Eisenhammer zu Chancen und wurde einigermaßen ebenbürtig.
Die Strecke, die von der Entfernung her mit einem Tretboot zurücklegbar ist, meisterten heute nur vierzehn tapfere Piraten. Es bedurfte eines mittelgroßen Wunders, um die abermals zahlreichen Ausfälle zu kompensieren und ein mögliches Pünktchen mal zu entführen. Klar war ebenso: Mit einer Kampfleistung wie gegen den Kupferdreher Nachbarn könnte man die neunzig Minuten aber gut über die Bühne bringen. Dieser Kampf blieb über weite Strecken leider aus und wurde eher mannschaftsintern ausgetragen, das Spiel erwies sich als noch schwächer als prognostiziert.
Die Wahl des Trainerstabs fiel zum vorletzten Auswärtsspiel der Spielzeit auf ein 1-4-4-1, also ein System mit Libero, das im Derby einen Großteil des „Erfolgs“ ausgemacht hatte. Gaga übernahm diese Schlüsselposition – und füllte sie gewohnt solide aus. Kurzentschlossen stellte man zudem Lars auf die rechte Abwehrseite, Christian hütete wieder das Hammertor. An dieser Wahl gab es rückblickend betrachtet wenig zu beanstanden, Christian muss sich kein Tor wirklich ankreiden lassen und ließ gar ein paar Reflexe aufblitzen, die weitere Einschläge verhinderten. Lars war kämpferisch eine absolute Größe im weiß/orangen Team.
Der beste Bonsfelder dagegen stach schon nach dreieinhalb Minuten. Eine abgefälschte Flanke von der linken Seite findet den sehr frei stehenden Ex-Kupferdreher Joel Scheuermann, der recht problemlos zur Führung gegen seinen ehemaligen Club verwandelt. Das Boot der Kupferdreher drohte bereits zu kentern. Doch im direkten Gegenzug wird Steffan auf die Reise geschickt, der smart und rechts durchbricht, wo er allein auf das Tor zugeht. Der Torwart verhindert den frühen Ausgleich.
Mit der Führung im Rücken entwickelte es sich immer mehr zum Spiel der Gastgeber, die Lücken im Verbund waren verheerend, die Zuordnung häufig nicht vorhanden. Die Systemänderung mag ihren Teil dazu beigetragen haben, dass das Gefühl für Räume und Laufwege nicht recht vorhanden war, doch in manch einer Situation fehlte ohne Wenn und Aber, zu 100% schlicht und einfach der Einsatz. Diese Erkenntnis ist es überwiegend, die dieses Spiel und besonders Hälfte Eins zu einem der düstersten Spiele in der Wahrnehmung des Trainergespanns macht.
Durchatmen hieß es nach zwölf Spielminuten, als Libero Gaga einen Ball auf seinen Kopf zufliegen sieht, Anstalten macht, ihn klärend zu köpfen und im letzten Moment den Kopf wegzieht, um die Kugel Keeper Christian zu überlassen, der den Braten vorher allerdings nicht riecht und so erst kurz vor knapp den Knicker unter sich begräbt.
Sieben Minuten später kann der Gastgeber ohne große Bedrängnis seinen Spielaufbau betreiben. Auch als der Ball bereits zehn Meter in der Hälfte der Hammerjungs ist, nahe der linken Seitenauslinie fühlt sich kein Weißer für den Ballführer verantwortlich, ausnahmsweise stehen wir mal zu tief statt zu hoch. Der Blaue legt sich den Ball etwas vor, gibt ihn schließlich in die Mitte ab. Dann geht es ganz schnell: Eine kleine Lücke in der Abwehrkette wird ausgenutzt, der Ball durchgesteckt und von der linken Seite aus in die Mitte gegeben. Den Kopfball aus kurzer Distanz kann Christian noch super entschärfen, am Nachschuss ist er chancenlos. Dass der Stürmer zweimal an den Ball kommt und weder sein Kopfball noch sein Nachschuss verhindert werden können, müssen sich seine Vorderleute ankreiden lassen.
Heiter weiter: Nachdem Lars mit einer beherzten Einzelaktion, dem ein Ballgewinn und ein Sprint über sechzig, fünfundsechzig Meter vorausging, vorne für Torgefahr gesorgt hatte sowie hinten dreimal extrem stark gerettet hatte, machte SUS nach nur einen halben Stunde Spielzeit den Deckel auf das Spiel. Wieder ist es die linke Angriffsseite, die zur Torentstehung benutzt wird. Aus dem Zentrum wird der blaue Bonsfelder in den Strafraum geschickt und kann aus recht spitzem Winkel, dreizehn Meter vor dem Kasten Christian überlisten und die Tormusik ein drittes Mal erklingen lassen (31.).
Halbzeit. Zufriedenheit sah anders aus. In dieser Härte musste die Einstellung bislang noch nicht kritisiert werden. Es entstand ein offener Dialog, mit verschiedenen Ideen, gelebte Demokratie am Wahlsonntag.
Zumindest gegentormäßig ging der zweite Durchgang glimpflicher aus. Und das, obwohl es neun Minuten nach Wiederbeginn nach einer Demontage sondergleichen aussah. Zu dem Zeitpunkt waren bereits die Saison-Gegentore 186 und 187 gefallen. Ein Seitfallzieher, ausnahmsweise über die rechte Angriffsseite eingeleitet, (53.) und ein Fernschuss des Bonsfelders, der in den vorangegangenen Minuten mehr durch Lamentieren und Diskussion über Schiedsrichterentscheidungen aufgefallen war (54.), stellten das Ergebnis auf 5:0.
Daraufhin wurde es erträglicher. Das hat verschiedene Faktoren: Bonsfeld wechselte munter durch und nahm Leistungsträger vom Platz. Gaga ging etwas weiter nach vorne, was im Verbund mit den Auswechslungen den Spielfluss der Hausherren etwas herauszunehmen schien. Zudem fanden sich eine Reihe Spieler der Gastgeber im Abseits wieder, was erstens Angriffsbemühungen schon im Keim erstickte und zweitens wieder auf das Vorrücken von Gaga zurückzuführen ist. (Das heißt nicht zwangsweise, dass es besser gewesen wäre, Gaga von Anfang an weiter nach vorne zu stellen, sondern dass die Umstellung darauf in dieser speziellen Spielsituation eine gute war. Allerdings möchte ich mich ebenso wenig anmaßen zu behaupten, es wäre auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen, mit Libero zu spielen. Eine 0,9%-ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Wahl schlecht ausgefallen ist.)
Ungefähr im letzten Viertel entwickelte sich sogar ein den Umständen entsprechend ausgeglichenes Spiel. Insbesondere mit der Umstellung auf Stürmer Mali gestaltete sich die Auseinandersetzung offener. Der quirlige Achtzehner des VfL, der kämpferisch über weite Strecken sehr überzeugend agierte, eroberte sich einige Bälle im Drittel des SUS, was Entlastung und Torchancen verschaffte. Die größte davon fand ihren Weg durch die Schnittstelle der Viererkette zu Dustin, der in den Sechzehner eindrang und nur noch den Torwart vor und Mitspieler Marvin links neben sich hatte. Er entschied sich für einen Schuss auf eigene Faust, die der Torwart mit selbiger parieren konnte. Der Ball fällt aber dem eingewechselten Marvin vor die Füße, der den sehr tückischen Ball aus einer Entfernung von weit mehr als zehn Metern an den Pfosten des fast besetzten Tores schoss (79.). Kein Grund zur Belustigung, der war diffizil. Auf diese Art und Weise vermag sich dieser so komplexe Rasensport zu verhalten, dem zu frönen wir uns sonntags zu verschreiben pflegen.
In den letzten zehn Minuten der Partie rettete Lars für uns auf der Linie, auf der anderen Seite scheiterte Pumba nach sehenswertem Solo mit einem Mickey-Maus-Schuss aus sechzehn Metern. Wichtig aber hierbei, dass er sich hatte durchsetzen können und den Abschluss suchte.
Wie wir beim VfL aber wissen, ist das Spiel zwar eine (mal mehr, mal weniger) nette Aktivität, aber wie sagt man so schön: Wichtig ist neben dem Platz. So kam das absolute Highlight des Tages heute vom gesperrten Gio. Mali hatte es sich nicht nehmen lassen, eine Kiste zu geben und die gehört natürlich angeschrien. Pure Routine? Eigentlich schon. Doch Gio schaffte es, den Einsatz zum „VfL – KUPFERDREH“-Schreien so schwer zu finden zu machen, dass ihn zwanzig Augenpaare nur verdutzt anschauten, statt den Namen unseres wundervollen Stadtteils in den Bonsfelder Nachmittagshimmel zu brüllen. Nächster Versuch. Volle Konzentration, von Spielern, Schätzen und Muttertag-Auf-Dem-Fußballplatzfeiererinnen. Wieder das Vorgeplänkel „Wir bedanken uns und so weiter mit einem...“, wer jetzt aber „Kupferdreh“ schreien wollte, hatte die Rechnung ohne den Italienischen Schankwirt gemacht. Der entschied sich für den alteingesessenen Anschreispruch „Ball – hoi“- War auch nix. Naja, kann ja nicht alles klappen. War trotzdem schön. Für nur zwei Euro mehr als in Niederwenigern bekam man hier zwei Kisten. Für zwei Euro mehr als für eine Kiste in Niederwenigern wohl gemerkt. Am Ende des Tages hatten die Kupferdreher am muttertäglichen Wahlsonntag gleichsam den Sportplatz an der Kohlenstraße gekapert und eine deutliche zahlenmäßige Überlegenheit aufgebaut.
Was interessieren uns schon Zahlen, wenn wir einfach eine geile Truppe sind? Fußball ist ein Ergebnissport. Politik auch. Gibt aber auch andere Sachen, mit denen man den Sonntag verbringen kann.
pp
