Dafür, dass das Spiel so unfassbar höhepunktarm war, war es unwahrscheinlich spannend hinten heraus. Symptomatisch für das Spiel, dass es drei Elfmeter brauchte, um das Ergebnis derart in die Höhe zu treiben. Im hart umkämpften Spiel der beiden sportlichen Absteiger aus der A-Liga 2016/17 endet die VfL-Serie von anderthalb Jahren (!) ohne Unentschieden in der Liga.
Doch so fesselnd das Spiel am Ende war, so wenig darf man vergessen, wie es begann. Nämlich un-fass-bar lang-wei-lig. Kaum Torraumszenen. Fouls, Abseitsstellungen und Fehlpässe verhinderten den Spielfluss. Lediglich ein Gaga-Kopfball nach einer Ecke sowie letztlich die zwei Strafstöße ließen während der ersten 45 Minuten den Puls der Zuschauer in die Höhe schnellen (der Puls der Trainer konnte dann auch mal aus anderen, taktischen Gründen nach oben gehen).
Das erste Mal zeigte der Unparteiische in Minute 23 auf den Punkt. Vossi hatte den rechten Arm im Sprung etwas zu hoch. Motorisch durchaus verständlich, sportlich gesehen ist die Entscheidung genauso vertretbar. Basti ist sich bei dem Elfer „hundertprozentig sicher“, dass er nach links springen muss, um die Ecke zu haben – und soll Recht behalten! Der Strafstoß ist nur so gut geschossen, dass sich der mittlerweile 37-jährige Schlussmann der Hammerjungs so lang machen kann wie er will: Den hält er nicht! 1:0 für die Gastgeber. Zu dem Zeitpunkt hatte das Spiel noch kein Tor verdient.
Im Anschluss daran wurde das Spiel (wenn auch nur unmerklich) besser. Kupferdreh investierte etwas mehr, Yurdum ließ hin und wieder individuelle Klasse aufblitzen. Kurz vor der Pause wirft Gaga auf Strafraumhöhe Dustin an, der den Ball im Sechzehner annimmt, sich drehen will, aber einen Kontakt abbekommt. Den nimmt er an, geht zu Boden und bekommt den zweiten vertretbaren Elfmeter in dieser Partie, Emrah verwandelt sicher wie Mats Hummels am Mittwoch, links oben, 1:1 (45.). Wenige Augenblicke später ist Halbzeit.
Der Ausgleich ist verdient. Nicht, weil wir jetzt zwingend ein Tor verdient hätten, sondern vielmehr, weil keine der beiden Mannschaften eine Führung verdient hätte: gute Abwehrleistung auf beiden Seiten, sicherlich aber auch dadurch bedingt, dass reihenweise Angriffe unzureichend zu Ende gespielt wurden. Aber es gab ja noch eine zweite Halbzeit.
Und die war besser. Um Längen besser. Als der Schiedsrichter nach gespielten 97 Minuten die letzte Minute anzeigt und der Ball kurze Zeit später ins Aus geht, fordern die Trainer unisono, das solle gefälligst auch noch nachgespielt werden. Bis zum Schluss wollten alle noch gewinnen, allein die beißende Kälte war ein Grund dagegen, noch den ganzen Brückentag und die anschließenden Feiertage durchzuspielen. In dem Durchgang war alles drin, was die erste Hälfte vermissen ließ: Rassige Zweikämpfe, schön vorgetragene Angriffe, Kampf, Leidenschaft, gute Torwartaktionen auf beiden Seiten. Ein bisschen schade schon, dass wir unsere Bude dann wieder nur per Strafstoß erzielt haben und nicht aus dem Spiel heraus (die Chancen dazu gab es ja....), alles in allem ein ärgerliches Unentschieden für beide Mannschaften – was wieder darauf schließen lässt, dass es verdient war.
Die Südessener kommen besser aus der Pause, den Gegenwind hat man nur wörtlich und nicht im übertragenen Sinne; der erste größere Angriff wird im Vorwärtsgang zwanzig Meter vor dem Tor unterbunden, Gio wird gefoult. Der anschließende Freistoß wird aber kreuzgefährlich: Djemail kommt am zweiten Pfosten zum Kopfball, legt mit großer Übersicht auf Julian ab, der aus kurzer Distanz ebenfalls per Kopf hauchdünn scheitert (52.).
Es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, die Offensivabteilungen wurden zusehends besser als ihre defensiven Pendants. Während für den Gast häufig Basti wieder zum Mann des Spiels avancierte und den erneuten Rückstand das ein ums andere Mal, oft auch eindrucksvoll, verhinderte, standen wir uns vorne häufig selbst im Weg und sollten an dem Tag deshalb auch nicht mehr in Führung gehen.
Diese übernahm dann wieder die Mannschaft in Hellblau. Nach einem Ballverlust im Anschluss an unseren eigenen Abstoß geht es schnell. Es braucht erschreckend wenige (zwei?) Rellinghausener, um unsere komplette Hintermannschaft aussteigen zu lassen, die in der Situation aber auch ziemlich hölzern agiert. Nach wenigen Körpertäuschungen steht der Angreifer blitzeblank vor unserem Kasten und lässt sich die Chance nicht entgehen, das Pendel wieder zu seinen Gunsten ausschlagen zu lassen (71). Basti ist ohne Chance.
Wieder dauert es nicht lange, bis die Jungs vom Eisenhammer antworten. Drei Minuten später kommt Gaga frei zum Kopfball. Die Kugel ist nicht mehr aufzuhalten – zumindest nicht mit fairen Mitteln. Kurzentschlossen mimt ein Verteidiger den Torwart und benutzt seine Hände, um den Ausgleich zu verhindern. Die gelbe Karte ist seit Abschaffung der Dreifachbestrafung die korrekte Entscheidung, auch wenn der Ball sonst hundertprozentig ins Tor gegangen wäre. Sei's drum! Djemail tritt an und... trifft (75.)! Besonders schön für den Mann, der seit Freitag offiziell Deutscher ist und durch das Tor seine Woche abrundet.
Dann geht es hin und her. Jeder will gewinnen. Komischerweise ist den wenigsten klar, dass man nur gewinnen kann, wenn man nicht verliert. Egal, Abwehrarbeit ist Quatsch, da kann man ja kein Tor schießen* und überhaupt macht das ja viel weniger Spaß. Überzahlsituationen im Angriff also. Viele Überzahlsituation im Angriff. Mittendrin noch ganze drei Platzverweise: Zwei Minuten nach dem 2:2 möchte ein bereits verwarnter Heim-Verteidiger eine Entscheidung besonders gerne noch weiter mit dem Schiedsrichter ausdiskutieren – Gelb/Rot die Folge. Zehn Minuten darauf (87.) lässt sich ein weiterer Akteur der Gastgeber dazu hinreißen, den Familienstammbaum des Unparteiischen in Ungnade fallen zu lassen und sagt der Erzeugerin des Spielleiters eine etwas unehrenhafte berufliche Tätigkeit nach. Auf Türkisch. Was den Schiedsrichter, der blöderweise Türkisch spricht, nicht davon abhält, das Spiel sofort zu unterbrechen und den Herrn des Platzes zu verweisen. Nach zwei Minuten in doppelter Überzahl bringt Dustin seinen Gegenspieler zu Fall, der daraufhin laut aufschreit – Gelb/Rot für den jungen Sechser. Eine harte Entscheidung. Davor, danach und dabei geht es hin und her, her und hin, rauf und runter, runter und rauf, aber das Tor will und will einfach nicht fallen. Abseits, Inkompetenz oder Torhüter sind hier die Hauptwidersacher, die das Ergebnis einfach bei 2:2 halten wollen. Und das bis in die achte Minute der Nachspielzeit hinein. Dann findet der Schiedsrichter, dass wir lange genug „Letztes Tor entscheidet“ gespielt haben wie sonst immer (man erinnere sich an dieses grauenhafte Spiel gegen Werden 80 vor ziemlich genau 12 Monaten...) und manifestiert das erste Unentschieden seit der Rückrunde 2016.
Aber warum wurden eigentlich acht Minuten nachgespielt? Die Platzverweise spielten eine Rolle, aber Hauptschuldiger war hier Vossi, der benommen einige Minuten auf dem Kunstrasen liegen blieb, nachdem er von Djemail aus kurzer Distanz einen Volley genau gegen die Rübe bekommen hatte. O-Ton Ole: „Zum Glück hat der gerade seinen Arm bewegt. Ich dachte schon, der wäre tot!“ Danke noch einmal an den Platzwart, der so geistesgegenwärtig reagiert hat und die Duschen freundlicherweise nur für Vossi auf eiskalt gestellt hat.
Da war mehr drin! Kann man jetzt sagen. Man kann aber auch sagen, dass wir das Ding wieder einmal genauso gut hätten verlieren können. An die erste Hälfte werden sich wohl nur die ganz Hartgesottenen sowie die zwei Torschützen (und Vorlagengeber; ja, Dustin, ich hab dir deinen Assist eingetragen, beruhig' dich in deinem Körper) erinnern werden. Die zweite Hälfte hat schon mehr Spaß gemacht, auch wenn die Defensiv“arbeit“ und die Chancenauswertung einen starken Anhaltspunkt gegeben haben, was man vielleicht noch verbessern könnte. Am Ende des Tages nehmen wir den Punkt mit, haben damit zehn auf dem Konto und müssen damit leben, können das aber wohl auch ganz gut. Mehr Punkte am Ende einer Saison hatten wir zuletzt 2015 auf dem Konto.
pp
* Lustig, dass ausgerechnet ich das schreibe, der ich ja in den letzten Wochen vermehrt das Gegenteil bewiesen habe...
