„Hallo und herzlich Willkommen zurück.“, begrüßt Thomas Helmer beim Doppelpass. „Bevor wir über den Videobeweis und andere Randerscheinungen dieses Spieltags sprechen, müssen wir noch über das Spiel des Wochenendes sprechen. Bei mir ist Arjen Robben, der hautnah dabei war. Arjen, was ein Spiel, oder?“ „Ja, Wahnsinnsspiel. Rot gegen Schwarz und Gelb, Tabellennachbarn, Derbystimmung, obwohl beide aus anderen Städten kommen.“ „Packendes Spiel, dieses 3:1, oder?“, stellt Helmer seine gewohnt stilsicheren Suggestivfragen. Robben lässt sich nicht davon irritieren und fährt mit funkelnden Augen fort, ganz in Gedanken versunken. „Es war zwar nicht dieses lekker spannende Spiel, das man erwartet hätte, dafür war der VfL Kupferdreh einfach zu überlegen. Aber ich denke, die Zuschauer haben bekommen, was sie wollten und für die Hammerjungs war es in jedem Fall eine große, große Erleichterung.“ „Sie reden so, als wären Sie dabei gewesen?“ „Tatsächlich. Nach dem enttäuschenden 1:6 gegen den BVB wollte ich mir mal wieder guten Fußball angucken, bin kurzentschlossen nach Essen gereist – und habe es nicht bereut, klasse Kick!“ „Arjen, das glaube ich Ihnen gerne. Über das 1:6 Ihrer Bayern gegen die Dortmunder sprechen wir gleich auch noch. Aber wir kommen gerade aus der Pause, es ist mittlerweile 12:51 Uhr. Das Spiel am Eisenhammer ist noch keine fünf Minuten abgepfiffen.“
Arjen Robben sprach ein bisschen Holländisch, weinte drei Minuten lang und wurde hinterher von dem eingeladenen Ehrengast Cristiano Ronaldo getröstet, der ebenfalls minutenlang weinte. Schön ist anders, deshalb springen wir im Rückblick einige Minuten nach vorn.
„Arjen, es geht hoffentlich wieder?“ Helmer stellt einfach unverschämt gerne Suggestivfragen, aber das sei ihm überlassen. „Erzählen Sie uns doch bitte von dem Spiel, das Sie also im im Livestream auf vflkupferdreh.de gesehen haben.“ Der holländische Flügelflitzer hört augenblicklich auf zu Weinen und fällt wieder in diesen pathetischen Ton, der mit seinem Akzent schwer zu ertragen ist, besonders, wenn man es mit den Sportfreunden aus Niederwenigern hält: „Kupferdreh ist von Anfang an besser, spielt präzise Pässe, dominiert das Spiel. Es ist wie Pep immer sagte: 'Wi wolle pass, pass, pass“, richtig lekker. Nach elf Minuten spielt Gonzalez einen super Pass durch die Gasse, perfekt auf Kiyak, der quer legt, wo dieser Schaafschütze nur noch den linken Fuß hinhalten muss. Super Tor.“ „Ich wette, das haben die im Training so geübt, oder?“ „Das weiß ich nicht, aber es sah so aus. Unter Ancellotti hätten wir so etwas nicht trainiert. Da hatte ich in der D-Jugend besseres Training.“ „Das wissen wir. Wie ging es denn nun weiter?“ „Ah ja. Kurz vor der Pause macht dann der Neuner ein Tor mit der Hacke, ganz großes Kino!“ „Danke, Arjen Robben. Nach einer kurzen Pause melden wir uns wieder aus München mit der Schilderung der zweiten Hälfte und einem Rückblick auf Dortmund-Bayern. Bis gleich.“
Stauder, Hammermerchandising und (wie sollte es anders sein?) Helene Fischer füllen das Bild, bevor sich Thomas Helmer wieder meldet.
„Neben mir sitzt Sokratis Papado-Papasdo-Papu-... der Innenverteidiger von Borussia Dortmund, der mit seinem Freund Arjen Robben das Kreisliga-B-Spiel im Essener Süden gesehen hat. Zuerst, Herr... Sokratis, was waren Ihre Gründe, sich das Spiel anzusehen? Für Arjen war es Frustbewältigung nach dem Samstagabend. Für Sie lief es doch sehr gut?“ Sokratis zeigt seine Lieblingsmiene, wenn er an das Spiel zurückdenkt: Emotionslos. „Papastathopulus übrigens. Danke, Herr Helmer. Allem voran war ich natürlich am wunderschönen Eisenhammer, um meinem besten Kumpel Arjen Robben eine Freude zu machen. Er fragte mich nach dem Spiel und ich habe sofort eingewilligt. Bevor er sich noch etwas antut, 1:6 gegen den schärfsten Konkurrenten und – seien wir mal ehrlich – er, als glühender VfL-Fan hätte natürlich auch wieder bitter enttäuscht werden können nach den letzten Wochen. Der Punktgewinn letzte Woche gegen Yurdum war mal wieder ein Erfolg, aber der Verein ist doch eine Wundertüte. Davon abgesehen konnte ich aber nicht genug vom Fußball, dieser geilsten aller Sportarten, bekommen; nicht zuletzt sympathisiere ich auch mit den Hammerjungs, auch wenn mein Lieblingsspieler in der Zweiten spielt. Und so saßen wir in inniger Freundschaft also bei Nieselregen in Kupferdreh und erfreuten uns am Spiel.“ „Das wusste ich gar nicht, dass Sie und Robben... Naja. Schildern Sie uns doch bitte die Zweite Hälfte.“ Sokratis zwinkert Arjen Robben verschwörerisch zu, hatte aber wohl nur etwas im Auge. Seine Miene bleibt emotionslos, als er weiter redet. „Nach der Pause bleibt es das gleiche, tolle Spiel. Der VfL feldüberlegen, Niederweniger Zuschauer verlassen schon das Stadion. Bei dem 3:0 ist das Spiel eigentlich gelaufen. Dass die Schwarz/Gelben dann noch das 3:1 machen, ist nur Ergebniskosmetik – und das weiß von Zeugwart Kudel bis Präsident Hommel jeder im Stadion, das übrigens von SignalIduna gefördert wird!“
„Nachdem wir uns so lange mit diesem famosen Sieg der Kupferdreher beschäftigt haben“, sagt Helmer, „gehen wir jetzt ein paar Stunden zurück und schauen nach Dortmund, wo es auch einen Heimsieg gab. 6:1 hieß es am Ende für den BVB gegen die Bayern. Was war da los?“ „Das haben wir so nicht kommen gesehen, bedeutend viel besser waren wir nicht, aber...“ „Nicht Sie, Sokratis. Spielberichte machen aus Sicht des Verlierers deutlich mehr Spaß. Das könnte ich mir Woche für Woche vorstellen. Einen Bericht davon, warum man wieder einen auf die Mütze bekommen hat und schonungslos jedes Gegentor einzeln besprechen. Ich könnte mir meinen Sonntag nicht schöner vorstellen. Also, Arjen. Was. War. Da. Los?“, fragt der Moderator. Sein Blick hat sich geändert. Mit süffisant-grinsenden Mundwinkeln kommt er ganz nah an Arjen Robben heran, der aus Reflex umfällt und sich Richtung Schiedsrichter umblickt, um einen Elfmeter zu fordern. Als er realisiert, wo er ist, steckt er seine künstlichen Tränen wieder weg, setzt sich wieder, richtet seine Krawatte, streicht sich dreimal über die Glatze und räuspert sich. Dann fällt ihm die Frage wieder ein, erinnert sich daran, von den Schwarz/Gelben verhauen worden zu sein und fängt wieder an, wie ein Schlosshund zu weinen. Thomas Helmer beobachtet das mit selbstzufriedener Miene, lässt aber nicht locker. Man hat den Eindruck, seine Zeit bei Borussia Dortmund hätte ihn mehr geprägt als die beim FC Bayern „Arjen, beruhigen Sie sich bitte in Ihrem Körper. Seien Sie ein Ma... vergessen Sie es. Fangen Sie jetzt endlich an!“ Robben schluchzt – und bemerkt, dass er einfach nur das erste Tor ausschlachten muss, wie man das immer macht, wenn man Spielberichte von Niederlagen anfertigt. „Also, es war ein Novembertag. Kalt. Verregnet. Dortmund, 4.11. Das Spiel beginnt...“, hebt er an. Doch den Triumph gönnt Helmer ihm dieses Mal nicht. „Arjen, wir wissen es alle. Sie können nur diesen einen Trick, machen das Tor und es steht 1:0 für Ihre Mannschaft. Weiter. Was war danach?“ „Godverdomme!!! Ja, ich habe uns durch ein lekker Traumtor in Führung gebracht. Quasi mit dem ersten Torschuss gleicht Dortmund dann aus. Bürki schlägt einen super langen Pass, unsere Abwehr pennt, der Ball geht durch und Ulreich kann nichts mehr machen. Unverdienter Ausgleich für meine Begriffe. Und es wurde noch schlimmer: Ulreich verunglückt ein Abstoß. Der Ball ist viel zu flach und kommt sofort wieder zurück. Wenige Augenblicke später steht es 1:2. Ich glaube, der Schiri hat danach gar nicht mehr angepfiffen. Eigentlich lächerlich, zurückzuliegen. Aber fast wäre ich davor schon im Dreieck gesprungen. Da hätten nämlich beinahe diese Glückspilze geführt, ohne überhaupt zweimal aufs Tor zu schießen! Javi Martinez, unser spanischer Innenverteidiger, bekommt den Ball vor die Füße, will klären, tunnelt sich aber irgendwie selbst – der wird ganz gefährlich, Ulreich holt ihn aber mit einer Riesenparade raus.“ „Das weiß ich auch noch“, meldet sich Sokratis wieder zu Wort. „Der war echt gut gehalten. Zum Glück haben wir gerade keine Torwartprobleme – sonst hätten wir auf jeden Fall darüber nachdenken müssen, diesen Jungen zu verpflichten. Auch unfassbar stark, wie er gegen Ende der ersten Hälfte einen richtig starken Schuss rausholt. Ich muss dir ein bisschen widersprechen, mein holländischer Bruder. Ganz so chancenlos waren wir nicht, wie du das jetzt beschreibst. Aber ich gebe dir Recht, etwas glücklich war die Halbzeitführung schon – zumal ihr auch das 2:0 hättet schießen können!“
„Haben wir aber nicht.“, resümierte der neue ausländische Rekordtorschütze des Rekordmeisters zähneknischernd. „Die Halbzeit danach war aber eine Vollkatastrophe. Da stimmte gar nichts mehr. Kurz nach der Pause machen wir auch noch ein Eigentor. Klar, Mats Hummels muss da dran, sonst schießt Aubameyang den ins Tor, aber das sah doch schon komisch aus. Ob Heynckes ihm das so beigebracht hat? Vermutlich, der hat ja früher auch gerne das eigene Tor getroffen... Danach waren wir wieder gebrochen. Wie so oft bei Rückständen. Zugegeben: Das 4:1 war schön. Einwurf und dann aus der Drehung einfach reingehauen – nicht schlecht! Aber das kann man doch auch besser verteidigen, oder?“ „Sicher.“, stimmte Sokratis zu. Robben fährt immer deprimierter aussehend fort. Der Junge kann einem echt leid tun. Warum muss er das ganze Spiel, das ganze demütigende Spiel jetzt in allen Einzelheiten rekapitulieren? „Bei uns klappte hinten nichts mehr. Da war eine defensive Laufleistung wie sonst nur bei mir und Cristiano Ronaldo. Ein einfacher Pass, bub, bub, bub, 5:1. Echt traurig! Dann bleiben einfach alle außer dem eingewechselten Rafinha stehen und überlassen Ulreich seinem Schicksal. Der ist natürlich wenig begeistert davon, noch einen zu kassieren, aber was soll er machen?“
„Wie geht es jetzt weiter? Was macht man in so einer Situation? Wenn man gegen Dortmund schon nicht gewinnt, wen will man dann schlagen?“, fragt Helmer, der bei jeder Frage breiter grinst. „Wir sollten jetzt nicht aufgeben (Klonk!), das nächste Spiel ist immer das nächste (Klonk!). Ich weiß, das sagt man in so einer Situation immer gerne, aber jeder Gegner in der Liga kocht nur mit Wasser und kann jeden anderen schlagen, so ist Fußball (Klonk! Klonk! Klonk! Klonk!). Wir müssen jetzt auf jeden Fall weitermachen (Klonk!) und den Kopf nicht...“ „Arjen, ich unterbreche Sie nur ungerne, aber wenn Sie jetzt 'in den Sand stecken' sagen wollen, tun Sie das bitte nicht. Wie Sie sehen, ist das Phrasenschwein bis zum Rand voll.“ „... mit Alkohol... ja, genau, das wollte ich sagen.“ „Meine Damen und Herren, das war es auch schon wieder. Ich bedanke mich bei meinen Gästen Arjen Robben und Sokratis Papastathupolos sowie unserem Werbepartner für Tempo Taschentücher Cristiano Ronaldo. Schönen Restsonntag, erwarten Sie das Spiel der Zweiten vom VfL Kupferdreh. Erster gegen Letzter. Das entspricht in der Kreisliga ungefähr dem SV Meppen gegen Bayern München, aber auch die sind offensichtlich schlagbar. Danke und auf Wiedersehen. Cristiano, geben Sie doch Arjen bitte noch ein Taschentuch.“
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